Essen. Florian Heinzen-Ziobs Dokumentarfilm erzählt von zwei Projekten der Pina Bausch Foundation. Eine Hommage an den Tanz – nicht nur für Pina-Fans.

Und noch einmal. Die Choreografin Malou Airaudo ist noch nicht ganz zufrieden; die Hände müssen flacher auf dem Boden aufliegen. Die reinste Millimeterarbeit ist das. Sangeun Lee, Solistin der Dresdner Semperoper, kauert im Probensaal und tastet sich vorwärts. Immer wieder. Bald wird sie die Rolle der „Iphigenie“ tanzen. Und ein Pina-Bausch-Stück aufführen, das heißt auch: anders tanzen – ganz neue Erfahrungen machen. Florian Heinzen-Ziob war mit der Kamera dabei. Jetzt ist sein Dokumentarfilm „Dancing Pina“ im Kino zu sehen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Sein Beitrag ist kein Porträt der 2009 verstorbenen Künstlerin, obwohl sie allgegenwärtig ist. Er begleitet zwei Projekte der Pina Bausch Foundation. 2018/2019 inszenierten ehemalige Tänzerinnen des Ensembles auf zwei Kontinenten zwei Choreografien aus den 70er Jahren. Zum einen „Iphigenie auf Tauris“ für die Semperoper Dresden, zum anderen „Le Sacre du Printemps“ für eine Aufführung im Senegal. In Afrika probten Tänzer und Tänzerinnen in der École des Sables in einem Fischerdorf in der Nähe von Dakar.

Erfahrungen im Streetdance und traditionellen afrikanischen Tänzen

Die Dokumentation begleitet sie alle. Da sind einerseits die klassischen Balletttänzer der Semperoper, mit denen die Choreografin Malou Airaudo arbeitet – andererseits junge Leute, die ihre Erfahrung überwiegend im Streetdance und bei traditionellen afrikanischen Tänzen gesammelt haben und jetzt mit Josephine Ann Endicott am „Frühlingsopfer“ feilen. „Die meisten von uns waren nicht auf der Ballettschule und haben sich gefragt: Reicht unser Potenzial überhaupt?“, erzählt eine junge Frau.

Ein Bild von den Proben für „Iphigenie auf Tauris“ in Dresden. Im Vordergrund die Solistin Sangeun Lee.
Ein Bild von den Proben für „Iphigenie auf Tauris“ in Dresden. Im Vordergrund die Solistin Sangeun Lee. © mindjazz | Mindjazz

Die die Kamera liebt ihre Figuren. Dieser Film ist ein ästhetischer Hochgenuss. Ob erfahrene Solistin oder Neuling im Rampenlicht: Alle müssen daran arbeiten, Pinas Choreografien mit ihrem Körper und ihren eigenen Geschichten zu beleben. Mit dem Körper singen, auch davon sprechen ihre Lehrmeisterinnen.

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Der Film zeigt die Proben in Deutschland und im Senegal im Wechsel, wobei auch andere Wegbegleiter zu Wort kommen. Viel Tanz ist da zu sehen. Und immer wieder eingespielte Originalaufnahmen aus den 70er Jahren. Worauf alle Mitwirkenden jedoch Wert legen: Die Ergebnisse müssen eine Weiterentwicklung sein und niemals Kopie oder Wiederholung. Anders würde es Pina nicht gerecht.

Am Ende stand im Senegal eine Riesenenttäuschung

Und so erlebt man, wie innerhalb vieler Wochen aus Musik und Gefühlen Tanz wird. Wie wichtig allein die Armarbeit ist. Wie der richtige Ausdruck entsteht. Wie perfekt Unterschiede miteinander harmonieren können. Faszinierend sind dabei vor allem die Bilder aus Afrika. Dort wurde unter einfachsten Bedingungen geprobt, im Hintergrund: nichts als Licht und Natur.

Hier endete alles mit einer Riesenenttäuschung. Während „Iphigenie auf Tauris“ im Dezember 2019 in Dresden gerade noch rechtzeitig Premiere feiern konnte, musste die Aufführung von „Le Sacre du Printemps“ in Dakar abgesagt werden; Corona machte auch die geplante Tournee unmöglich. Wie traurig sind die jungen Leute, als ihnen Josephine Ann Endicott die Nachricht überbringt. Am Schluss des Films steht eine Aufführung vor der Kulisse des Atlantiks. Und ein Trost der Choreografin: Nichts war umsonst, nichts vergeblich: „Wenn Schweiß auf die Erde tropft, geht er nicht verloren.“