Bochum. Stefan Brüggerhoff stand zehn Jahre an der Spitze des Bergbau-Museums in Bochum. Er baute es um, als der Bergbau in Rente ging. Jetzt geht er.

Ein halbes Jahr später als geplant istStefan Brüggerhoff (66) nun in Rente gegangen, „seinem“ Bergbaumuseum zuliebe, weil seine Nachfolgerin Sunhild Kleingärtner noch durch ihr Fellowship-Jahr im Thomas-Mann-Haus im kalifornischen Pacific Palisades gebunden war. Zehn Jahre stand er an der Spitze des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und hat den Wandel des Hauses in diesen Jahren gestaltet. Jens Dirksen sprach mit ihm darüber, aber auch über die Anfänge…

Herr Prof. Brüggerhoff, Sie haben tatsächlich am 1. Juli 1985 beim Bergbaumuseum angefangen?

Stefan Brüggerhoff: Ja, 37 Jahre bei ein und demselben Arbeitgeber, das gibt es ja kaum noch. Ich bin ein typisches Kind des Ruhrgebiets: Studium und Promotion an der Ruhr-Universität Bochum – und dann habe ich damals auf Zollern II/IV angefangen, beim Zollern-Institut des Deutschen Bergbau-Museums.

Als Konservierungswissenschaftler, der sich mit Verwitterungs- und Schutzprozessen bei Denkmälern befasst…

Ein Museum permanent zu sanieren ist auch einer der Jobs des Direktors, der ich später wurde.

Da waren Sie ja von Ihrer Qualifikation her eine Idealbesetzung.

Ich habe 2012 tatsächlich gedacht, ich wäre als Konservierungswissenschaftler eine Orchidee unter den deutschen Museumsdirektoren. Aber promoviert habe ich in der Analytischen Chemie. Und das analytische Denken hat mir viel für diese Position gebracht, so dass ich all das, was an Wissen und Erfahrung zum Bergbau und überhaupt zum kulturellen Aspekt eines Museums notwendig war, damit verbinden konnte. Aber dass jetzt gerade das größte Objekt unserer Sammlung, das Fördergerüst für drei Millionen Euro saniert werden muss, das spielt dann ja tatsächlich wieder in meinen ureigensten Forschungsbereich hinein.

Den Sie aber als Direktor etwas vernachlässigen mussten. Ja, das konnte ich in den letzten zehn Jahren immer nur so am Rande machen. Schmerzt so etwas?

Es hat mich ein bisschen gestört. Aber ich habe vor meiner Zeit als Direktor die Konservierungswissenschaften in diesem Hause stark mitprägen können, und nach mir sind Kollegen gekommen, die das exzellent weitergeführt haben. Jetzt ist außerdem die Zeit angebrochen, in der ich auf dem Feld noch als Privatmann eine Weile agieren kann, weil es Freude macht. Und spannend ist.

Als Privatmann? Aber doch als Professor, oder?

Ja, aber ich habe kein Zimmer an meiner alten Arbeitsstätte beansprucht. Ich will nur noch an Stellen mitarbeiten, an denen ich wirklich mit meiner Expertise gefragt bin.

Als Sie Ihr Amt 2012 antraten, stand schon fest, dass der Bergbau 2018 auslaufen würde. Das Museum wurde in Ihrer Amtszeit grundsaniert, Sie haben die Dauerausstellung fast rechtzeitig zum Auslaufen des Bergbaus umgekrempelt, modernisiert. Und das zukünftige Forschungs-Depotgebäude unterhalb der Jahrhunderthalle im Westpark wird jetzt sozusagen Ihr Vermächtnis?

Ja, das lag mir noch als letztes unendlich am Herzen.

Passt denn da an Gerätschaften alles rein, was Sie bekommen könnten?

Das ist immer die Frage: Wie viel kann man sammeln und wo hört es auf? Ein Museumsdirektor ist da natürlich eher auf der Seite des Sammelns, aber als Manager muss man auch das Leistbare bedenken, es muss ja alles erhalten werden können. Jedenfalls verbessert das neue Gebäude die Möglichkeiten des Bergbaumuseums um Potenzen. Aber auch da gibt es einen Endpunkt.

Es wird aber kein Schaudepot.

Es wird so ähnlich wie im LVR-Museum in Oberhausen sein, wo man ab und zu Begehungen machen kann.

Als das Museum 1930 konzipiert wurde, wollte man so etwas wie ein begehbares Lehrbuch des Bergbaus schaffen. Das ist es heute nicht mehr. Ist denn noch ein Stück Bergbau-Lehrbuch da?

Ja, unser Anschauungsbergwerk, das ich auch für unerlässlich halte. Wegen der Authentizität. Das Haus hat als Lehrbuch lange funktioniert, weil viele Menschen mit einer Affinität, mit einer wie auch immer gearteten Erfahrung mit dem Bergbau gekommen sind und sich darin wiedergefunden haben. Inzwischen haben wir ja mehr Besucher, die so gerade noch wissen, dass es beim Bergbau nach unter Tage geht. Heute muss man Bergbau erklären. Das Begreifen soll im Anschauungsbergwerk stattfinden. Wir arbeiten auch ständig an der weiteren Modernisierung. Wir entwickeln zum Beispiel eine „digitale Grubenlampe“, eine App, mit der man sich gerade im Anschauungsbergwerk tiefergehende Informationen holen kann, ohne dass der authentische Ort durch Schautafeln zugepflastert wäre. Die Kontextualisierung soll dann die Dauerausstellung thematisieren. Und dass der Bergbau, der hier im Ruhrgebiet eingestellt worden ist, anderswo noch weiter betrieben wird. Dass es Klimafolgen gibt. Da ist immer die Frage: Wie viel Tradition wird bewahrt und wie viel Aufbruch wird gewagt?

Das Bergbaumuseum wird zum Rohstoffmuseum, zum Museum für Geo-Ressourcen, wie Sie es genannt haben.

Und zu einer Diskussionsplattform. Wenn wir über Gas aus dem Osten reden, wenn wir über eine doch noch weitere Nutzung der Braunkohle reden, das sind schon Themen, die man gerade im Bergbaumuseum gut beleuchten kann.

Geo-Ressourcen klingt allerdings sehr wissenschaftlich-technisch, im Vergleich zu Bergbau.

Aber genau darum ging es mir. Wir haben in der Diskussion um Covid gesehen, wie wichtig evidenzbasierte, also wissenschaftlich geprüfte Aussagen sind.

„Bodenschätze“ wäre emotionaler, klänge aber gleich nach Ausbeutung.

Der Begriff „Ausbeutung“ hat inzwischen eine ausschließlich negative Konnotation, das soll auf jeden Fall vermieden werden. An diesem Punkt mit dem Denken aber aufzuhören, darin steckt für mich ein Riesen-Problem dieser Gesellschaft. Für solche Überlegungen habe ich das Haus ein bisschen geöffnet. Wir leben in einer schizophrenen Situation: Auf der einen Seite Industriekultur und gleichzeitig reden wir über Klimawandel. Das muss man zusammenbringen. Um auch deutlich zu machen, dass eine Geo-Ressource auch in einem Handy steckt. Wir brauchen technologisch Rohstoffe, und wenn wir kein Loch in den Boden machen, wo kommen sie dann her? Wo kommen auch die Stoffe her, die wir für eine Energiewende, für regenerative Energien, ja für unsere Digital-Wende brauchen? Dazu muss man eine Meinung entwickeln!

Stichwort Industriekultur: Was halten Sie davon, dass auch der zweite Anlauf, das Ruhrgebiet über die Zeche Zollverein hinaus zum Weltkulturerbe zu erklären, gescheitert ist?

Es ist für mich immer noch diskutabel, das Ruhrgebiet und einen Welterbe-Status zusammenzubringen. Zollverein ist ein exzellentes Beispiel, ein Monument, das als Welterbe Berechtigung hat. Es ist aber nicht so, dass Zollverein allein das Ruhrgebiet ausmacht, dazu gehören neben der Kohle auch der Stahl, Verkehrswege, Infrastruktur, Wohnen und so weiter. Ob das alles durch einen Welterbe-Status geschützt, bewahrt werden muss, darüber kann man streiten. Der Gedanke, was das Ruhrgebiet ausgemacht hat, sollte vielleicht noch einmal grundsätzlich aufgegriffen werden, ohne gleich auf das verminte Terrain Welterbe zu gelangen. Was muss erhalten werden, um technische, wirtschaftliche, historische Zusammenhänge, die Vernetzung im Revier nach außen deutlich zu machen? Und das, ohne die Bedenken zu verstärken, das Ruhrgebiet zu musealisieren!