Bochum. Die Oper „Bählamms Fest“ von Olga Neuwirth wird in der Regie des Kollektivs „Dead Center“ zu einem bunten, vitalen Abend – ohne großen Tiefgang.

Nach dem asketisch-strengen Trip ins Geisterreich von Edgar Allan Poe, mit dem die neue Intendantin Barbara Frey die diesjährige Ruhrtriennale eröffnete, folgte mit Olga Neuwirths Oper „Bählamms Fest“ in der Jahrhunderthalle Bochum ein nicht weniger gruseliger Einblick in die Tragödie einer desolaten, sich selbst zerfleischenden Familie.

Konzentriert sich Barbara Frey auf die Rezitation des Textes auf Kosten theatralischer Ausdrucksformen, geizt das irische Theaterkollektiv „Dead Centre“ nicht mit buntem, effektvollem, teilweise auch vordergründig-biederem Bühnenzauber. Auch wenn es in beiden Stücken um Mord, Inzest und Untergang geht, basiert das Libretto von Elfriede Jelinek auf einer Vorlage der surrealistischen Künstlerin Leonora Carrington aus dem Jahr 1940, die in ihrem skurrilen, von bissigem Zynismus durchtränktem Text verspielter mit dem Thema umgeht als Poe.

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Den lockeren Tonfall und die rasche Folge der 13 Szenen nutzen sowohl das Regieteam als auch die Komponistin für ein bühnenwirksames Schlachtfest. Es ist eine von latentem Sadismus und offener Dekadenz infizierte Familie, in die Theodora einheiratet. Mit einer Prinzipalin, die mit einem Hund ein Wolfskind zeugte, das nach und nach die Schafherde dezimiert. Dessen versoffener Bruder, Theodoras Gatte Philip, trachtet dem geschwisterlichen Schafs-Gourmet nach dem Leben. Theodora lässt sich sogar auf eine Romanze mit dem Menschenwolf ein, um dem familiären Alptraum entfliehen zu können.

Verlässt sich Barbara Frey für ihre Poe-Adaption auf die Wirksamkeit der naturbelassenen Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck, taucht „Dead Centre“ die Bochumer Jahrhunderthalle in ein filmreifes Märchenszenario mit einer eigens angepflanzten Heidelandschaft, einem malerischen Teich und einer putzigen Wohnstube. Ein trügerisches Idyll: Die Bühne rotiert fleißig, Videoeinblendungen großäugiger Wölfe und ein sich in ein Blutbad verwandelnder See weisen unverkennbar, wenn auch ein wenig plakativ auf die Risse der heilen familiären Fassade hin.

Raffinierte elektronische Spielereien

Auf allzu ausgeprägten Tiefgang legt es auch Olga Neuwirth in ihrer 1999 uraufgeführten Oper nicht an. Mit raffinierten elektronischen Spielereien und einer handwerklich brillant gestalteten Partitur erzeugt sie eine Klangkulisse von unheimlicher Hintergründigkeit. Wobei die instrumentalen Zwischenspiele noch packender wirken als die gesungenen Teile. Die süßlichen Klänge der originellen elektronischen „Theremin Vox“ unterstreichen die Nähe zur Filmmusik.

Zu hören ist ein farbiger, suggestiver Klangteppich, den Sylvain Cambreling und das hervorragende „Ensemble Modern“ zusammen mit dem elektronischen Team perfekt zum Klingen bringen. Und auch das Gesangsensemble überzeugt.

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Beachtliche Bühnenpräsenz

Sowohl Katrien Baerts als Theodora in der größten und differenzierteste Rolle als auch Gloria Rehm in der koloraturreichen Partie der Elizabeth, der wiederauferstandenen ersten Gattin Philips. Dessen relativ wenig profilierter Part ist bei Dietrich Henschel ebenso gut aufgehoben wie der Werwolf Jeremy beim Countertenor Andrew Watts. Mit beachtlicher Bühnenpräsenz verkörpert Hilary Summers die Prinzipalin Mrs. Carnis.

Ein bunter, vitaler Opernabend und damit ein denkbar scharfer Kontrast zur entschleunigten Eröffnung mit Poes „Untergang des Hauses Usher“. Dem Premierenpublikum gefiel’s.

Die nächsten Aufführungen in der Jahrhunderthalle Bochum: am 18., 19., 21. und 22. August, jeweils 21 Uhr. Ab 23. August als Video-on-Demand abrufbar. Infos und Tickets: www.ruhrtriennale.de.