Essen. Das Museum Folkwang in Essen bittet zum Tanz: Sehenswerte Ausstellung widmet sich den vielen Gesichtern des Tanzes mit Filmen und Installationen.

Eine Ausstellung wie diese gehört wohl nach Essen, das sich als Tanzstadt begreift, auch wenn die Zeiten von Kurt Jooss oder die von Pina Bausch an der Folkwang-Hochschule schon etwas länger her sind und die städtische Ballett-Compagnie bei aller künstlerischen wie optischen Perfektion nicht unbedingt in dem Ruf steht, die Entwicklung des Tanzes avantgardistisch voranzutreiben, wie das bei den genannten Ikonen der Fall war.

„Global Groove“ im Museum Folkwang zeichnet die Geschichte des Modernen Tanzes seit 1900 an der Wechselwirkung zwischen europäisch-westlichen und fernöstlich-asiatischen Tanzformen nach. Wer sich ein wenig auskennt in der Geschichte des Modernen Tanzes, wird hier Wissen vertiefen und verbreitern können. Wie etwa zum japanischen Butoh-Tanz, der in der Kunst der wegweisenden deutschen Tanz-Ikone Mary Wigman wurzelt.

Zur Ausstellung

„Global Groove. Kunst, Tanz, Performance und Protest“. Museum Folkwang, Museumsplatz 1, 45128 Essen (Navi: Bismarckstr. 60). Bis 14. November. Katalog: 34,90 €. Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr, Do/Fr bis 20 Uhr. Eintritt: 10 €, erm. 8 €. Familien: 20,50 €. Großes Begleitprogramm: www.museum-folkwang.de

Wegweisendes von Mary Wigman bis Mas Jodjana

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Die wiederum in ihrer Dresdner Tanzschule Anregungen des indischen Schriftstellers Rabindranath Tagore, des indonesischen Gamelan-Musikers und Tänzers Mas Jodjana und seines indischen Kollegen Uday Shankar aufnahm. Ein Schüler Mary Wigmans regte Kazuo Ohno zur Erfindung des Ankoku Butoh („Tanz der Finsternis“) an, der wiederum in den 60er-Jahren um die (Tanz-)Welt ging. Und vom französischen Choreografen Boris Charmatz, häufiger zu Gast bei der Ruhrtriennale, in unseren Tagen wieder aufgenommen wurde unter dem Schlagwort „Rebutoh“.

Das mag, wie manch anderes, eher etwas für Spezialinteressierte sein. Gleichwohl gibt es auch für geneigte Laien einiges zu entdecken: Etwa, dass die Geschichte des Modernen Tanzes nicht mit der Barfuß-Tänzerin Isadora Duncan beginnt. Sondern mit Loïe Fuller (1862-1928), die in der Buffalo-Bill-Show der USA Banjo spielte, bevor ihr im Paris des späten 19. Jahrhunderts ein sensationeller Einstand gelang.

Sehenswerte Video-Installation von Nam June Paik

Fuller erfand den „Serpentinentanz“, entwickelte ein „Farbenklavier“. Marietta Piekenbrock, eine der vier Kuratorinnen der Ausstellung, nennt sie „die erste Medienkünstlerin des 20. Jahrhunderts“. In der Ausstellung ist eine betagte farbige Filmaufnahme des „Serpentinentanzes“ zu sehen, in dem die unablässig herumwirbelnden Tücher und Schleier der Tänzerin immer wieder andere Farben annehmen.

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Ein Hingucker genau wie die Video-Installation von Nam June Paik, die der Ausstellung den Titel gab; hier ist der Tanz die intime, persönliche, ja widerständige Gegenposition zur Welt der Politik und ihrem Widerschein in den Medien. Überhaupt zeigt die Ausstellung, wie der Tanz im 20. Jahrhundert politischer wird, sich zu einer Ausdrucksform des Widerstands entwickelt, nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf der Straße.

1000 Videoclips von Tänzen in aller Welt

Als vielleicht beeindruckendstes Werk in den meist offenen Räumen dieser Folkwang-Schau fällt die dunkel-geschlossene Installation des australischen Theatermachers Simon Starling auf: Hier geht es um den grauen Esel, der wir fast alle in Sachen Tanz sind – und um ein Theaterstück von William Butler Yeats, zu dessen Ehren Starling wunderbar ironisch neue Stücke bekannter Autoren erfand.

Die Zen-Garten-Installation der Choreografin Mette Ingvartsen („The Life Work“) präsentiert im anheimelnd kühlen, gleichwohl farbstarken Ambiente die Lebensgeschichten von vier Japanerinnen, die in jungen Jahren nach Deutschland auswanderten.

Zum heiter stimmenden Schluss der Ausstellung geht es in die „Disco“ von Anouk Kruithof, die 8800 Videoclips von Tänzen in aller Welt gesammelt hat und 1000 von ihnen in einem vierstündigen Loop auf acht im Raum hängenden Bildschirmen mit einer gemeinsamen Tonspur laufen lässt. Das Werk hat das Folkwang 2020 angekauft und zeigt es nun zum ersten Mal. Hat man auch nicht alle Tage: Eine Kunstinstallation, die richtig gute Laune macht.