Bochum. Gelungener Zugriff auf einen antiken Klassiker: Das Schauspielhaus zeigt mit „Der gefesselte Prometheus“ die erste Premiere nach dem Lockdown.

Das Schauspielhaus Bochum öffnet wieder. Sieben Monate hat der pandemiebedingte Lockdown gedauert, nun machen sinkende Inzidenzwerte und die neue NRW-Coronaschutzverordnung einen eingeschränkten Spielbetrieb wieder möglich. Am Wochenende kam mit „Der gefesselte Prometheus“ ein antiker Klassiker neu heraus, heftig beklatscht vom stark reduzierten Premierenpublikum.

Endlich wieder Live-Theater in Bochum!

Statt 400 sind in den Bochumer Kammerspielen aktuell nur 70 Zuschauer erlaubt – aber die sorgten nach Vorstellungsschluss für einen ungestümen Begeisterungswirbel. Man sagt sicher nichts Falsches, wenn man mindestens die Hälfte davon auf die Freude der Theatergänger zurückführt, endlich mal wieder eine Live-Vorstellung sehen zu dürfen. Man würde der Aufführung aber Unrecht tun, dies allein darauf zurückzuführen.

 Regisseurin Anna Stiepani.
 Regisseurin Anna Stiepani. © Schauspielhaus | Reinhard Maximilian Werner

Denn dieser „Prometheus“ hat einige Qualitäten, und die junge Regisseurin Anna Stiepani ist ein Talent, das auch zukünftig auf Gutes hoffen lässt. Stiepani, die im Herbst als Regieassistentin des Burgtheaters ans Schauspielhaus kam, überzeugte in Bochum bereits mit Sibylle Bergs „Viel gut essen“. Nun wagt sie sich mit „Der gefesselte Prometheus“ nach Aischylos an eines der ältesten Werke des europäischen Dramenkanons.

Der Freiheit gilt’s, wohlan!

Dessen Zeitlosigkeit reizte die Regisseurin: Was ist es, das Prometheus, der das Feuer stiehlt, um es den Menschen zu übergeben, antreibt? Warum geht er in den radikalen Widerstand gegen den Göttervater Zeus? Warum leidet er die entsetzlichsten Qualen, ohne von seiner Haltung abzuweichen? An das Kaukasusgebirge geschmiedet, wo ein Adler an seiner Leber frisst, steht Prometheus alle Qualen durch. Der (geistigen) Freiheit gilt‘s, wohlan!

Bezüge zur Gegenwart sind ablesbar

Als Feuerbringer und Lehrmeister steht Prometheus als Urheber der menschlichen Zivilisation; im Kern der Geschichte geht es aber auch um die Frage nach Verantwortung, um die Suche nach Utopie. Das hat Bezüge zu allen Zeiten, also auch zur heutigen, man denke an die jüngste Verhaftung in Belarus, an Edward Snowden oder die Verfolgten von Myanmar.

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Stiepani erliegt allerdings nicht der Versuchung, ihren „Prometheus“ plump in der Gegenwart zu personifizieren. Zwar zielt sie mit einer konkrete Sprechweise der Figuren und unauffälligen Kostümen auf die heutige Zeit, doch belässt sie das Spiel im Abstrakten, worauf schon der Bühnenraum (Thurid Peine) hinweist: Ein verspiegelter Gang, in dem sich Darsteller, Bildprojektionen und Video-Effekte wie in einem Kaleidoskop zerfasern und neu zusammensetzten.

Sehr stark ist der Beginn, wenn der Schmied Hephaistos (Lukas von der Lühe) in diesem Spiegelkabinett am Amboss steht und in der blitzenden Dunkelheit Prometheus das Feuer an sich nimmt, um es in die Welt zu tragen. Das wirkt ungemein dicht und ist einer der packendsten Bochumer Stücke-Einstiege seit langem.

Vivaldi-Musik als stimmiger Soundtrack

Die Inszenierung mit einem abgeklärt-erregten Konstantin Bühler in der Titelrolle entwickelt sich dann eher zu einem grüblerisch-statischen Dialogstück, das – abgesehen von dem rasenden Auftritt der Sterblichen Io (Marius Huth) – wenig an äußerer Action zu bieten hat. Gleichwohl trägt das atmosphärische Moment über die gesamte Spielzeit (90 Minuten, keine Pause), und dass Antonio Vivaldis wilde, ungezwungene „Vier Jahreszeiten“-Musik immer wieder als messerscharfer Soundtrack eingespielt wird, vergisst man auch nicht so schnell.

>>> Info: Für den Besuch der Vorstellungen im Schauspielhaus Bochum ist eine Kartenreservierung unter 0234/3333-5555 erforderlich. Der Einlass ist nur mit einem negativen Corona-Testergebnis möglich, das nicht älter als 48 Stunden ist. Infos & Termine: www.schauspielhausbochum.de