Bochum. Die kleine Bühne steht ab jetzt im Foyer des Schauspielhauses – und wirkt wie ein Fremdkörper. Chefdramaturg Vasco Boenisch verrät die Details.

Ein kleiner Verschlag aus Wellblech und Holz sorgt derzeit unter den Bochumer Theaterfreunden für Aufsehen: Die „Welthütte“ steht seit wenigen Wochen im Mittleren Foyer des Schauspielhauses direkt vor der riesigen Fensterfront. Hier sollen ab jetzt kleinere, experimentelle Aufführungen stattfinden – derzeit wegen Corona als Stream, demnächst hoffentlich auch vor Publikum. Denn das Schauspielhaus hat mit der neuen Hütte noch einige Pläne, wie Chefdramaturg Vasco Boenisch (41) im WAZ-Gespräch verrät.

Wo kommt die „Welthütte“ eigentlich her?

Vasco Boenisch: Bei der Ruhrtriennale 2018 spielte sie eine zentrale Rolle in der Inszenierung „Universe, incomplete“ von Christoph Marthaler in der Jahrhunderthalle. Wer sich daran erinnert: Das war die Hütte auf Schienen, durch die das Orchester hindurch lief. Seitdem stand sie in ihre Einzelteile zerlegt im Lager der Ruhrtriennale, wo einiges aufgehoben wird. Weil uns immer daran gelegen ist, Bühnenbilder im Sinne der Nachhaltigkeit für andere Produktionen wiederzuverwenden, statt sie wegzuwerfen, haben wir sie jetzt reaktiviert.

Welthütte im Schauspielhaus Bochum hat einen schrägen Reiz

Jetzt steht die Welthütte im Mittleren Foyer. Welche Pläne haben Sie damit?

Zunächst einmal ist es dieses merkwürdige Haus, das uns total reizt. Das steht wie ein kalkulierter Fremdkörper in diesem bildschönen Foyer unter dem riesigen Kronleuchter im perfekten Design der 1950er Jahre. Das Foyer ist zeitlos schön. Hier einen Bretterverschlag aus Wellblech hineinzusetzen, erzeugt eine bewusste Reibung, mit der wir gerne spielen wollen. Das soll ein Ort für kleinere Produktionen wie zuletzt „Who the f*** are you“ mit Mercy Dorcas Otieno sein. Die Hütte wandelt sich auch bei jeder Produktion, sie nimmt immer neue Gestalt an. Bald wollen wir auch vor Publikum spielen. Es gibt sogar schon Bestuhlungspläne.

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Früher war das heutige Oval Office ein solcher Ort der unmittelbaren Begegnung zwischen den Schauspielern und dem Publikum. Dies fehlt am Schauspielhaus seit einer Weile, oder?

Wir experimentieren an verschiedenen Orten mit solchen Formaten, wo die Spieler zwischen dem Publikum agieren, etwa bei „Asche zu Asche“ auf der Bühne der Kammerspiele oder „Samstag, Sonntag, Montag“ in der Zeche Eins, die wir jetzt fürs Kinder- und Jugendtheater umgewidmet haben. Daran wollen wir mit der Welthütte anknüpfen.

Livestreams erfordern im Theater viel Aufwand

Wie lang soll die Hütte dort stehen bleiben?

Ich glaube, aus der Irritation und aus der Reibung mit diesem Fremdkörper bezieht das Ganze auch Reiz. Ich bin gespannt, ob sich unser Blick auf diesen Ort mit der Zeit verändert. Jetzt ist die Welthütte erst einmal gelandet und wird bespielt!

Am Schauspielhaus wird gerade viel Aufwand auf die Livestreams verwendet. Ist das für Sie eher eine Belastung oder eine Bereicherung?

Eine Belastung nicht, aber schon eine Kraftanstrengung sowie eine Bereicherung. Natürlich sind wir alle am Theater, weil wir das Theater lieben. Aber die Beschäftigung mit den ganzen technischen Aspekten, mit Kameras und der (Post-)Produktion, ist absolut spannend. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer geben uns eine Menge zurück, wie die Live-Chats und die Nachgespräche beweisen. Natürlich sehnen wir uns vor allem nach dem leibhaftigen Publikum!

Info: Aufführungen aus der Welthütte

Derzeit sind zwei Aufführungen aus der Welthütte als „Video on demand“ zu sehen. Schauspieler Bernd Rademacher zeigt in seinem unterhaltsamen Solo „Viel gut essen“ das so einfühlsame wie verstörende Porträt eines sogenannten Wutbürgers (bis 5. Juni).

In „Liebe / Eine argumentative Übung“ spielt Jele Brückner die fiktive Freundin des Comic-Helden Popeye. Noch bis 31. Mai ist die Aufführung abrufbar auf schauspielhausbochum.de