Essen. Die Urbanen Künste Ruhr machen Ökologische und soziale Folgen des Klimawandels mit dem „Ruhr Ding: Klima“ in Herne und Gelsenkirchen sichtbar.

Das nördliche Ruhrgebiet, ehemaliges Zechengebiet – unterhöhlt und belastet, auf der Suche nach einer neuen Identität: Es sind in vielerlei Hinsicht heiße Kohlen, denen sich Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt für die Ausstellung „Ruhr Ding: Klima 2021“ genähert haben. Zuletzt saßen sie sogar auf heißen Kohlen, schließlich standen Skulpturen und Installationen an zwölf Standorten zwischen Gelsenkirchen und Haltern längst bereit für die Eröffnung; doch die Pandemie bremste die veranstaltenden Urbanen Künste Ruhr aus. Jetzt aber heißt es Feuer frei für Kunst zum Klima.

Gerade im Revier wurde an endlichen Ressourcen Raubbau betrieben, wurden Lebensräume beschädigt. Mit Auswirkungen auch für die sozialen Strukturen; deshalb wollen die Urbanen Künste Ruhr die Folgen des Klimawandels für Mensch und Gesellschaft nachzeichnen. Mal rätselhaft, mal ohne Interpretationsspielraum – es gibt 22 Neuproduktionen in Gelsenkirchen, Herne, Recklinghausen und bald auch in Haltern am See. Eine Auswahl:

Gelsenkirchen: „Club Real“ und die Demokratie radikal

Demokratie, exklusiv für den Menschen? Nicht mit dem Berliner Kollektiv „Club Real“, das in Gelsenkirchen eine „Organismendemokratie“ errichtet hat. Hier bekommen Einzeller, Pflanzen und Wirbellose ebenfalls eine Stimme, denn sie sind direkt betroffen von den Veränderungen auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Consolidation. Von über 221 Millionen Tonnen abgebauter Kohle, von dem durch die Verbrennung ausgestoßenen CO2, wie Marianne Ramsay-Sonneck erklärt. Sie und der „Club Real“ haben ausgerechnet, dass 800.000 Jahre Photosynthese durch die Vegetation auf dem Gelände nötig sei, um die CO2-Menge wieder auszugleichen. Eine halbe Ewigkeit – doch was passiert bis dahin auf Consol?

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Darüber haben sich 28 Freiwillige, zumeist aus dem Ruhrgebiet, in den vergangenen Wochen Gedanken gemacht. Jeweils vier vertraten eine der sieben Gruppen von Lebewesen, die auf dem Gelände existieren. Sie informierten sich, trafen sich virtuell, diskutierten und reichten Anträge in ihr geschaffenes Parlament ein. Die Fragen, was ein Frühlingshungerblümchen oder ein grünes Augentierchen für Bedürfnisse habe, hat bei den Teilnehmenden die Achtsamkeit für das Leben um sie herum geschärft. „Unser Ziel ist es, unsere Umwelt sichtbarer zu machen und Zusammenleben zu gestalten“, sagt Ramsay-Sonneck – und lädt ein zu 28 Audiobeiträgen, die beim Spaziergang über Consol auf dem Smartphone abrufbar sind.

Weitere Projekte in Gelsenkirchen: Ari Benjamin Meyers mit „Forecast“, Hecke/Rauter/Thöricht mit „Der lange Abschied“.

Herne: Zeitreise in das erste McDonald’s im Ruhrgebiet

In Herne steht Silke Schönfeld grade im ehemaligen McDonald‘s auf der Bahnhofsstraße, als vor dem Laden wieder Passanten Halt machen. Die dekorierte Zeile und der entstaubte Reklamekasten zögen Blicke auf sich, manch einer wolle wiederkommen, sobald die Ausstellung eröffnet sei, sagt die in Dortmund und Amsterdam lebende Künstlerin – so gehe es schon seit Wochen. Schönfeld macht neugierig. Sie belebt Interesse wieder für das Gebäude mit seiner so wechselhaften Historie. Und: „Vielleicht gehen die Menschen mit neuen Augen durch die Stadt und fragen sich, was wohl für eine Geschichte hinter diesem und jenem Leerstand liegt.“

Silke Schönfeld hat die ehemalige Filiale von McDonald’s in Herne aus dem Dornröschenschlaf geholt und inszeniert jetzt die Geschichte des Ladenlokals.
Silke Schönfeld hat die ehemalige Filiale von McDonald’s in Herne aus dem Dornröschenschlaf geholt und inszeniert jetzt die Geschichte des Ladenlokals. © Urbane Künste Ruhr | Daniel Sadrowski

Mit der Installation „Family Business“ verhandelt Schönfeld den Wandel des Ortes: vom Spezialhaus Berns als Haus der Geschenke mit Porzellan und Glas (Konsum) über die Eröffnung des ersten McDonald’s im Revier 1976 (Verpflegung) bis zur gelegentlichen Nutzung als Proberäume für Bands ab 2011 (Freizeit). Drei Abschnitte und drei Filmbeiträge, die Haus Nummer 82a aus dem Dornröschenschlaf holen.

Weitere Projekte in Herne: Ana Alenso mit „Die Mine gibt, die Mine nimmt“, Natalie Bookchin mit „Geisterspiele“, Heimatmuseum Unser Fritz mit „Automobilism“.

Jeweils sieben Projekte in Haltern und Recklinghausen

Darüber hinaus bündeln die Urbanen Künste Ruhr jeweils sieben Installationen in Haltern am See und Recklinghausen – wobei die Seestadt noch kein grünes Licht für den Start gegeben hat. Für die Freilichtausstellung am Silbersee II mit körperlich erfahrbaren Projekten sprechen die Urbanen Künste von einem „zeitnahen Eröffnungstermin“. .

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Recklinghausen entwirft dagegen schon jetzt Vergangenheits- und Zukunftsvisionen. Vier Projekte locken auf die Zeche Blumenthal, darunter eine Kuppel mit Pflanzenarten aus Plastik, die im Norden des Ruhrgebiets einmal gewachsen sind. Die Kompanie „La Fleur“ vertanzt soziale Beziehungen im digitalen Raum, während Monster Chetwynd eines der Symbole des Ruhrgebiets, das Büdchen, zum futuristischen Fledermaushort umwandelt.

Die Projekte und Installationen laufen bis zum 27. Juni und sind von Mittwochs bis Sonntags (11-18 Uhr) geöffnet. Eine Übersicht aller Installationen und Projekte finden Sie genauso wie Informationen zur Anmeldung auf urbanekuensteruhr.de.

Die Tanz-Kompanie „La Fleur“ probt und tanzt für das „Ruhr Ding: Klima“ in Recklinghausen. 
Die Tanz-Kompanie „La Fleur“ probt und tanzt für das „Ruhr Ding: Klima“ in Recklinghausen.  © Westwind Festival | Willy Vainqueur