Dortmund. Wegen Corona zieht auch Dortmunds „Fest der Chöre“ ins Internet – mit einem eigenen Song, den Sänger einzeln aufnehmen: „Eine Stadt voll Musik“.
Sänger wollen singen, und feiern können sie in der Regel auch. Was sollte also werden aus Dortmunds „Fest der Chöre“ in Corona-Zeiten? Das Festival „Klangvokal“ verschob es entschlossen erst in den Spätsommer und dann ins Internet. Wo nun am 12. September Hunderte ihre Stimme für Dortmund erheben: „Eine Stadt voll Musik“. Ein Lied, eigens für das Fest komponiert.
Ein Blick in den Computer, „die Tenöre sind heute die virtuellsten“. Heißt: Es sind keine da. Das ist im Netz nicht anders als im echten Leben, in Chören sind Männer Mangelware (so lange sie keine Männerchöre sind). Dies ist die erste von fünf Proben für das „Fest der Chöre“, lauter Chorsänger sind erschienen, aber nur auf dem Bildschirm und alle allein. Auch Komponist Stefan Scheidtweiler. „Ich vermute, dass das gut war“, sagt er nach einigen Takten, die er dirigiert, aber nicht gehört hat. „Ich habe zumindest keine falschen Töne wahrgenommen.“
Corona-Abstand für Sänger: mindestens vier Meter zum Vordermann
Das kann er auch nicht, denn die Mikrofone sind aus. So geht Chor in Corona-Zeiten, und nur so: mit Video-Programmen, einzeln und für das „Publikum“ tonlos. Weil der Klang nie gleichzeitig ankommt. Viele Chöre sind in den vergangenen Monaten zur Chorprobe ins Internet gegangen, denn die Corona-Schutzverordnung sieht wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr beim Singen Abstände vor, die auch nicht klingen: mindestens vier Meter zum Vordermann, im Probenlokal sogar sechs.
„Fürs Herz ist das schon traurig“, sagt Scheidtweiler, 43, er bekommt ja „keine künstlerische Rückmeldung“. Dafür macht er schließlich Chorgesang und spielt kein Soloinstrument. Weshalb er sich aber auskennt und vom Festival „Klangvokal“ den Auftrag bekam, ein Stück zu schreiben. Um Gemeinschaft sollte es gehen, um Zusammenhalt, „um das, was wir gerade brauchen“, sagt Festival-Direktor Torsten Mosgraber. „Keiner ist allein“, lautet eine Textzeile.
Ein Song mit Ohrwurm-Qualitäten
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Herausgekommen ist eine Popballade mit Anklängen ans Musical und einer für Chöre gut singbaren, eingängigen Melodie: „Eine Stadt voll Musik“. Stefan Scheidtweiler schrieb auch den Text, nicht zuviel Dortmund, „Sie können auch Castrop-Rauxel oder Dinslaken einsetzen“, aber gerade so, dass die Stadt sich gemeint fühlt mit ihren an die 100 allein im Chorverband organisierten Chören. „Wir bauen hier eine Stadt voll Musik.“ Der Komponist hat nicht zu dick aufgetragen, es reimt sich kein „Herz“ auf „Schmerz“, wohl aber „klingt“ auf „singt“ und „Harmonie“ auf „Energie“. Ein Song mit Ohrwurm-Qualitäten, wie die sagen, die ihn schon einstudierten.
Die eigene Stimme mit dem Handy aufnehmen und einsenden
Es gehe um die „Kraft der Musik“, um das Verbindende, sagt Scheidtweiler. Und das geht jetzt erst richtig los: Nach mehreren Proben (am Freitag, 21. August ist die letzte) und Übe-Filmen mit drei weiteren Dortmunder Chorleitern sollen die Sänger das Lied selbst auf Video einsingen. Noch bis zum 23. August können sie ihre eigene Stimme, Sopran, Alt, Tenor oder Bass, und dazu ihr hoffentlich fröhliches Singe-Gesicht mit dem Handy aufnehmen und hochladen. Auf der Internetseite https://www.klangvokal-dortmund.de/programm/das-fest-der-choere.html gibt es Noten, Videos, Anleitungen und den nötigen Link. Die Aufnahmen werden professionell zusammengeschnitten, am 12. September veröffentlicht – und dann hoffentlich gefeiert.
Festival-Direktor sorgt sich um die Chöre
Das große Video wird das Finale des virtuellen Chorfestes. Für das mehr als zehn weitere Chöre der Stadt eigens Lieder eingesungen haben, allesamt draußen und mit Abstand – unter anderem ein Schulchor auf dem Schulhof. „Unter besten und sichersten Bedingungen“, sagt Torsten Mosgraber. Denn der Festival-Chef macht sich „große Sorgen, dass manche Chöre den Faden verlieren“. Dass sie nicht mehr singen, weil sie nicht mehr dürfen, dass sie auseinanderbrechen, dass sie verzweifeln an der fehlenden Perspektive. Sie suchen jetzt sichere Probenorte in Dortmund, sie bieten Kurse an für Chorleiter in virtuellem Dirigat. Sie wollen „Eine Stadt, die singt“ bleiben. Torsten Mosgraber sagt: „Wir kämpfen.“
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>>INFO: DAS „FEST DER CHÖRE“ IM INTERNET
Noch bis Sonntag, 23. August, 24 Uhr, können Chor- und alle anderen Sänger ihre Stimmpartie des Stückes „Eine Stadt voll Musik“ als Video aufnehmen und über die Internetseite https://www.klangvokal-dortmund.de/programm/das-fest-der-choere.html versenden.
Das „Fest der Chöre“, fester Bestandteil des Dortmunder Festivals „Klangvokal“, bringt eigentlich seit Jahren die Dortmunder Chöre in der Innenstadt zusammen: An einem Tag im Juni wird auf vielen Bühnen, Plätzen und sogar in der U-Bahn gesungen.
Nicht zufällig wurde das „Fest der Chöre“ auf dem Höhepunkt der Corona-Krise auf den 12. September verschoben: Das ist der Tag, an dem ruhrgebietsweit auch „Sing! Day of Song“ wieder auferstehen sollte, der Singetag des ganzen Reviers. Noch stehen nicht alle Details fest, aber auch der Day of Song wird am zweiten September-Samstag ins Internet ziehen – wie üblich mit einem gemeinsamen Singen ab dem Mittag.
Zu sehen und zu hören ist das virtuelle Chorfest live auf der Facebookseite von „Klangvokal“ und später bei Youtube.