Hattingen. Seit Monaten liegt die Arbeit der Chöre in Hattingen brach. Einnahmen brechen weg und soziale Kontakte leiden. Probe-Alternativen werden getestet
Die Corona-Krise belastet die Hattinger Chöre schwer. Während einigen neben den Einnahmen aus Veranstaltungen vor allem der soziale Kontakt fehlt, bangt die Deutsche Eiche Hammertal sogar um ihre Existenz. „Im Moment bricht zusammen, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde und wir müssen tatenlos zusehen“, sagt Burkhard Kneller, Vorsitzender der Hattinger Sängervereinigung 1872 e.V.
Einnahmen aus Konzerten brechen weg
Aus den Konzert-Einnahmen bestreiten die Chöre ihre Kosten – Chorleiter, Miete, Material. „Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass wir in diesem Jahr noch einmal in die Probenarbeit einsteigen können“, klagt Chormitglied Jürgen Pöting von der Deutschen Eiche.
Die 45 Sangesbrüder hätten zwar zunächst überlegt, sich nach Stimmlagen in der Kirche bei den Proben aufzuteilen, aber beim Singen reiche der Abstand von eineinhalb Metern nach Ansicht der Forscher ja nun nicht aus. Bei einem Durchschnittsalter von 79,2 Jahren sei eine Probe daher einfach zu gefährlich, so der 81-Jährige.
Feiern wurden abgesagt
Nun fehlt den Männern seit Wochen nicht nur die seit Jahrzehnten bestehende Gemeinschaft, sie fürchten auch um die nächsten Konzerte. Ob und wann die stattfinden können, sei noch völlig offen. „Und dann müssen wir ja auch erst noch etwas einstudieren“, so Pöting. Besonders traurig für ihn: „Unser Chor wird in diesem Jahr 140 Jahre alt, wir hatten uns auf dieses Jubiläum ganz besonders vorbereitet.“
Auch für den Liederfreund 1880 aus Welper steht in diesem Jahr ein runder Geburtstag an. Die Veranstaltung zum 140-jährigen Bestehen musste aber, wie viele andere Veranstaltungen und nicht zuletzt die Proben, abgesagt werden.
Virtuelle Probe nicht umsetzbar
Die etwa 50 Sänger hoffen nun noch auf das Weihnachtskonzert. „Die Halle ist reserviert, Künstler sind verpflichtet“, erklärt Vorsitzender Michael Scharf. Allerdings: „Wir brauchen etwa drei Monate für die Vorbereitung.“
Übungen und Pläne
Übungen, um die Stimme geschmeidig zu halten, sind zwar auch zu Hause möglich, jedoch längst kein Ersatz für die Chorproben. Der Vorstand des Liederfreund hat seinen Sängern Stimmübungen an die Hand gegeben. „Das ist aber kein Singen im eigentlichen Sinn. Das macht man lieber, wenn niemand es hört“, lacht Vorsitzender Michael Scharf.
Unterdessen laufen bereits die Planungen für das kommende Jahr. Die Sängervereinigung hat eine geplante Konzertreise in den Rheingau komplett auf 2021 verschoben. „Wir hoffen, dass das dann wieder geht“, sagt Vorsitzender Burkhard Kneller.
Proben konnten die Sänger seit zwei Monaten nicht mehr. Digitale Alternativen haben sie zwar versucht, doch durch die Zeitverzögerung sei das nicht praktikabel und ohnehin technisch nicht für alle umsetzbar. Nun hofft der Vorsitzende des Liederfreund auf andere Möglichkeiten: „Wir überlegen, in Kleingruppen von sechs oder sieben Mann zu proben“, erklärt er. Das sei zumindest ein Anfang. Derzeit seien die Säle der Stadt aber noch nicht freigegeben. „Ich liege den Verantwortlichen schon in den Ohren“, sagt Scharf.
Hoffen auf den Weihnachtsmarkt
Finanziell ist der Liederfreund dank seiner Rücklagen noch „relativ entspannt“. Aber: „Wenn weiter Konzerte ausfallen, dann wird es schon schwierig.“
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Gleiches berichtet Burkhard Kneller für die Hattinger Sängervereinigung mit ihren drei Chören. „Existenziell wird es allerdings, wenn der Weihnachtsmarkt nicht stattfinden kann“, betont er. Der Glühweinstand ist für die Sängervereinigung eine wichtige Einnahmequelle. „Und Zuschüsse bekommen wir Chöre nun einmal nicht.“
Sozialer Kontakt fehlt
Im Moment steht aber vor allem noch die soziale Komponente im Vordergrund. „Die Sänger werden langsam ungeduldig“, beobachten die Vorstände. Denn im Chor singen, das ist nicht nur Training für die Stimme, sondern vor allem Balsam für die Seele. Und: „Ohne die regelmäßigen Treffen bekommt man gar nicht mehr mit, wenn zum Beispiel jemand krank ist“, sagt Michael Scharf.
Auch Kneller hofft, „dass die Sänger bei der Stange bleiben“. Allerdings ist er sich auch der Verantwortung bewusst: „Natürlich gehören von uns die Meisten auch zur Risikogruppe. Die Chöre möchten ja auch gerne wieder singen, aber wir müssen sie dann wieder auf den Boden der Tatsachen holen, auch wenn irgendwo der Chor XY gesungen hat.“
Zumindest freuen sich die Vereine über den Zuspruch: Allen Sängern fehlen die regelmäßigen Treffen sehr. Nun hoffen sie auf Besserungen im Juni.