Münster. . Das Picasso-Museum zeigt Porträt-Fotografien mit dem Motiv Picasso – und Porträts, die der Jahrhundertkünstler in grafischen Techniken erstellte.

Ob Picasso nun der meistfotografierte Künstler des 20. Jahrhunderts war, weil er sein berühmtester war, oder umgekehrt, ist nur mit einem klaren Sowohl-als-Auch zu beantworten. Anfangs fotografierte sich Picasso noch selbst in wechselnden Verkleidungen im Pariser Atelier, als Kaufmann, Ringer, Hausmeister. Doch seit den 20er-Jahren geriet Picasso immer mehr in den Sucher von Kameras, zunächst bei Avantgardisten wie Man Ray oder Brassai, dann aber auch bei Society-, Promi- und Mode-Fotografen. Irving Penns Bild des Künstlers mit spanischem Hut und Stierkampf-Capa, das eigentlich nur Picassos Blick über die linke Schulter zeigt, wurde zur Ikone.

Aufsehenerregender Fotoband über Dackel

In Picassos Augen, die stets zu staunen schienen und warm und groß waren, weil seine Iris mit der Pupille verschmolz, versuchte mancher Fotograf, das Innere des Genies zu finden. Doch das gelang keinem, selbst David Douglas Duncan nicht, der neben den Augen nur noch Stirn und Nasenrücken gelten ließ. Schon Dora Maar, selbst Fotografin und acht Jahre Picassos Geliebte, wusste, dass es ei­nen öffentlichen und einen privaten Picasso gibt.

Duncan kam dem privaten immerhin sehr nahe. Und selbst der wusste, dass ein Picasso, nur mit Shorts und Schuhen bekleidet im Schaukelstuhl, das bürgerliche Wunschbild vom Bohemien unter südlicher Sonne bestens bediente. Duncan sorgte noch unlängst für Aufsehen mit einem Fotoband über Picassos Dackel „Lump“. Und schenkte ein Konvolut seiner Fotos dem Picasso-Museum in Münster – nun eine der Säulen für die dortige Ausstellung „Picasso – die Kunst des Porträts“.

Picasso nutzte das Porträt vielschichtig

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Neben Fotos, die Picasso zeigen, bietet das Museum eine ganze Etage Porträts aus der Hand von Picasso. Als eher kleines Haus hat man in Münster nicht solche Berühmtheiten ausleihen können wie das kubistische Porträt von Picassos Galeristen Armbroise Vollard aus dem Moskauer Puschkin-Museum oder die zahllosen Gemälde seiner Herz-Damen von Olga Chochlowa über Marie-Therese Walter bis Jaqueline Roque. Das muss man solchen Museen wie der National Portrait Gallery in London überlassen, die im vergangenen Herbst mit einer spektakulär schönen und facettenreichen Ausstellung über Picassos Porträts aufwarten konnte.

Doch auch auf diesem Feld weiß man sich in Münster mit Hauseigenem zu behelfen. So lässt sich nun in vielen Radierungen, Lithografien und Linolschnitten studieren, wie vielschichtig Picasso das Porträt nutzte. Es ist nämlich doch nicht so, wie die von Picasso verlassene, bis ins Mark gekränkte Dora Maar mal aufseufzte, dass Picasso in allen Porträts nur sich selbst gemeint hätte. Aber er war auch weit entfernt davon, immer nur den Charakter der porträtierten Person darstellen zu wollen. Das Porträt reizte ihn als Karikatur, als Persiflage, als Spielerei, als Experimentierfeld von höchsten Schwierigkeitsgraden.

Das erschöpfte Modell

Die lithografierten Variationen von Francoise Gilot (Dora Maars Nachfolgerin) etwa umkreisen herrlich verliebt Schmollmund, Klimperwimpern und die schlanke, gerade Nase, der Rest ist Ne­bensache. Der schnelle, karge Strich aber ist kunstvoll gemacht.

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Die Schweizer Kunsthändlers-Tochter Angela Rosengart, die Picasso über die Jahre fünf Mal Modell saß, musste einmal erschöpft nach zweieinhalb Stunden Bewegungslosigkeit abbrechen – Picasso, der noch ewig hätte weitermachen könne, vollendete das Bild ohne sie. Und 30 verschiedene Drucke von der „Frau im Lehnstuhl“ zeigen, wie sehr Picasso in Details um Ausdruck, Form und künstlerische Vollendung rang.

1962 dann schuf Picasso eine Lithografie als Selbstporträt, das ihn frontal und im Profil zugleich zeigt, als gereiften Charakter. Er wusste, dass Dora Maar recht hatte. Zumindest mit den zwei Picassos.