Köln. . Das Kölner Museum Ludwig zeigt ab Donnerstag eine Ausstellung mit Werken von Gerhard Richter. Anlass ist der 85. Geburtstags des Malers.
Wer Gerhard Richter bei der Arbeit im Atelier zuschaut, erlebt, wie der zierliche Künstler, der heute sein 85. Lebensjahr vollendet, immer neue Farbschichten aufträgt, verwischt, abkratzt, zu einem anderen Bild übergeht, zurückkehrt und weiterarbeitet, bis kaum noch etwas übrig ist vom ersten Eindruck. Wann er entscheiden wird, dass der Arbeitsprozess abgeschlossen ist, wissen auch die engsten seiner vielen Mitarbeiter nicht. Wer aber vor einem fertigen Bild von Richter steht, fühlt: Ja. So. Das ist es. Auch wenn sich nicht ohne weiteres sagen lässt, warum.
Das ist wohl der Grund dafür, dass Gerhard Richter seit Jahren als der bedeutendste (und teuerste) lebende Maler der Welt gilt. Nun zeigt der gebürtige Dresdener, der seit 1983 in Köln lebt, im Kölner Museum Ludwig 25 neue abstrakte Bilder. Eigentlich hatte das Museum dem Maler mit dem Atelier im Villenviertel Hahnwald zum Geburtstag nur eine Werkschau widmen wollen mit Klassikern wie „Ema (Akt auf einer Treppe)“ von 1966, „Betty“ (1977) oder den 48 Schwarz-Weiß-Fotoporträts von Größen der Geistesgeschichte. Doch vor drei Monaten fragte Richter plötzlich beim Museum an, ob man auch an neuen Arbeiten interessiert sei. War man, klar. Jetzt gibt es beides: Rückblick und frisch getrocknete Bilder anno 2016.
Bunt, leuchtend, zahllose Farbschichten
Was an ihnen überrascht: Sie sind bunter als zuletzt, sie leuchten. Es sind viele kleinere Formate dabei. Und natürlich sind es Richters: zahllose Farbschichten, mit Rakel und Spachtel, Küchenmesser und Pinselrückseite bearbeitet. So erschließen sich immer neue Felder und Räume, nebeneinander, hintereinander, ineinander übergehend. Man will Gegenstände erkennen, Landschaften, manchmal liegt tatsächlich eine fotografierte Landschaft darunter. Und einmal entdeckt man eine ganz untypische Geste, einen langen blauen Strich, von Hand gezogen, wo es sonst doch gilt, den Zufall zuzulassen, Subjektivität zurückzufahren.
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Gerhard Richter, der das Reden über Malerei für prinzipiell sinnlos hält, bisweilen aber Ausnahmen macht, hat mal mit Blick auf seine Kunst von einer „Wirklichkeit“ gesprochen, „die wir nicht sehen können, aber ahnen, dass es sie gibt“. Diese Ahnung, das Mehr, das zu erkennen, aber kaum zu benennen ist, bildet die Verbindung zu den ganz anderen Bildern, den nachgemalten, unscharf verwischten Fotos, den Glas- und Spiegelobjekten, den Installationen früherer Jahre. Alles ist Oberfläche, aber Oberfläche ist nicht alles.
Ironische Antwort auf die Pop-Art
Gerhard Richter hatte zunächst die Dresdner Akademie als Meisterschüler absolviert, bevor er 1961 in den Westen floh und an der Düsseldorfer Kunstakademie noch einmal studierte, neben Sigmar Polke, Kuno Gonschior, HA Schult und Konrad Lueg, mit dem er den „Kapitalistischen Realismus“ erfand, als ironische Antwort auf die Pop-Art. Doch einem Stil, einer Strömung hat sich Richter nie zuordnen lassen. Dem Markt, der Wiedererkennbarkeit fordert, hat er sich verweigert; Provokantes wie sein „Baader-Meinhof“-Zyklus mit unscharfen Gemälden wechselt mit Konzeptuellen wie den „Atlas“-Sammlungen aus Zeitungs- und Album-Fotos oder den abstrakten Bildern, die oft nur diesen lakonischen Titel haben.
Er hat sich mit der Nazivergangenheit (auch in der eigenen Familie) beschäftigt, sieht sich aber nicht als politischer Künstler, er ist eigensinnig, aber das Gegenteil eines großmäuligen Malerfürsten. Richter, der bis vor wenigen Jahren noch als hoffnungslos verschwiegen galt und erst in jüngster Zeit mit Medien spricht, bleibt ein Rätsel. Er geht jeden Tag zur Arbeit ins Atelier, Skepsis und Distanz prägen seine Haltung. Dass Richter trotzdem als „Picasso des 21. Jahrhunderts“ gilt, versöhnt ein wenig mit dem Irrsinn des Kunstbetriebs, den er selbst immer wieder brandmarkt.