Essen. Angst, Chaos, Aufbruch - die Deutsche Erstaufführung für „Nieuzwart” von Wim Vanderkeybus bei der Ruhr-Triennale auf Pact Zollverein zeigt einen sinnlosen Kampf um die Menschwerdung und hält Tänzer und Publikum in Atem.

Sie hüpfen wie Frösche, schleichen oder rennen, wie Vorläufer des Menschen, auf allen Vieren durch ein sanft raschelndes, glitzerndes Meer. Zuerst im Halbdunkel, dann in grell erleuchtetem Kosmos. In „Nieuzwart” (Neues Schwarz) von Wim Vandekeybus verwandelt sich der Homo Salticus nur allmählich zum Homo Erectus. Auf dem Weg dorthin erleidet er Schläge, Schmerz und Pein und landet dort, wo er anfing: auf der Erde, in der Erde. Dem belgischen Choreographen geht es in seinem Stück um die Vertreibung aus dem Paradies, um Urzustände des Menschen, um Aufbruch aus dem Chaos. Die Sinnlosigkeit des Kampfes um Menschwerdung führt die Rock-Performance mit bewegenden Bildern und einer suggestiven Klangkulisse vor Augen und Ohren. Bei der deutschen Erstaufführung der Création 2009 im Rahmen der Ruhrtriennale wurde die Kompanie „Ultima Vez” in Pact Zollverein stürmisch gefeiert.

Der Applaus klang wie eine Erlösung. Denn die Kraft der Körperbilder und der Live-Rockmusik von Mauro Pawlowski steigert sich im Laufe der pausenlosen 90 Minuten, wird heftiger und gewalttätiger. Sie hält nicht nur sieben Tänzer, sondern auch das Publikum in Atem. Zu Beginn kriechen nackte Körper über die Erde, krümmen, schlängeln und verdrehen sich. Nur kurz dauert die paradiesische Ruhe, die ein klirrender Granateneinschlag beendet. Eine Art Urknall, der den brutalen Kampf ums Dasein einleitet.

Hoffnung und Schmerz

Eine Erzählerin verkündet wie eine Priesterin Texte (von Peter Verhelst) über Hoffnung und Schmerz. Sie breitet eine güldene Tarnkappe aus, unter der sich die Gestalten – halb Tier, halb Mensch – häuten, be- und entkleiden. Wie Jäger und Gejagte springen sie sich an, schleudern ihre athletischen Körper durch die Luft oder setzen sie als Waffen gegen andere ein. Die Szenen mit verschraubten, verkeilten oder verwobenen Gliedmaßen erinnern an Höllenfahrten eines Hieronymus Bosch oder an surreale Figuren eines Salvadore Dalí. Zur Ruhe kommen sie erst, wenn ihre Leiber gegen Metallwände schlagen. Doch verenden sie nicht, sondern stehen auf, und beginnen den nächsten Kampf.

05.09.2009, 20.00 Uhr, Pact Zollverein. TEL: 0201/ 887 20 24, www.ruhrtriennale.de