Essen. Ein Schauspielprojekt der Autorin und Regisseurin Yael Ronen kombiniert Kabarett-, Kampf- und Spielszenen zu einem völlig unkorrekten Bühnenereignis voller unerlaubter Vergleiche und Fragen aus dem deutsch-jüdischen Minengebiet.
Kann man, darf man den Holocaust vergleichen? Mit dem, was Israelis in den von ihnen besetzten Gebieten den Palästinensern antun? Ist Genozid gleich Genozid? Ist Rassismus der Nazis gleichzusetzen mit rassistischen Anschlägen des israelischen Militärs? Zwei Generationen, zumindest in Deutschland, schreckten vor derartigen Vergleichen zurück. Bei jüngeren Menschen, zwischen 20 und 40, ist diese Hemmschwelle geringer. Das demonstriert das ungewöhnliche Schauspielprojekt „Dritte Generation”, das Yael Ronen bei der Ruhrtriennale in Pact Zollverein präsentierte.
Ein Jahr arbeitete die Kompanie in Rollenspielen daran, zuletzt in Berlin und Tel Aviv. Das Ergebnis: eine Collage aus Kabarett-, Kampf- und Spielszenen, die verblüfft, ernüchtert, erheitert, aber auch schockiert. In 90 rasant gespielten Minuten pendeln und schaukeln sie zwischen beißender Ironie und bitterem Ernst. Und verstoßen nicht selten so heftig gegen politische Korrektheit, dass manch deutschem Zuschauer das Lachen vergeht, zumindest für kurze Zeit.
Parforceritt durch alte und neue Vorurteile
Israelis, Palästinenser und Deutsche sammelte die Autorin und Regisseurin Yael Ronen für ihren Parforceritt durch alte und neue Vorurteile zwischen den Kulturen. Christliche und muslimische Palästinenser, Mimen aus jüdischen Familien mit Wurzeln in Europa, Nahost oder Nordafrika erzählen Geschichten und Erfahrungen. In einem Halbrund hocken sie auf Stühlen, barfuß, mit Turnhose und knallrotem T-Shirt mit den Lettern „3 G” (dritte Generation).
„Kein Bühnenbild, keine Kostüme, wie in Tel Aviv. Dort gibt es kein Geld dafür,” eröffnet Niels Bormann den Abend. Der große Blonde spielt sofort den Anwalt der Teufels, fragt „Sind Juden hier? Oder Sinti und Roma? Oder Ostdeutsche oder gar Homosexuelle?” Und entschuldigt sich in gleichem Atemzug für all das Nazi-Unrecht „stellvertretend für alle Deutsche.” Der lapidare und betont gefühlige Zusatz „Tut mir leid” erntet stockende Lacher.
Anfangs wie ein Comic
Anfangs wirkt der Schlagabtausch wie ein Comic. Abgehackt sind die Bewegungen. Sie hüpfen, tänzeln und springen, während sie den Mitspielern Klischees und Vorurteile brachial an den Kopf werfen. Wer ist beschnitten oder wer hat eine Vorhaut? Darüber streiten sie genauso intensiv wie über sechs Millionen vernichtete Juden und über „Deutsche, die immer noch dafür bezahlen”. Juden, die „die Auschwitzkeule schwingen, nur um Geld für den Kampf gegen Palästinenser zu bekommen”. Für kurze Sekunden denkt man, die Schauspieler meinen das ernst, bis sie ihre Rolle blitzartig verlassen. Die deutschen Mimen Knut, Niels und Karsten greifen in die Kiste übelster Stammtischsprüche, auch in Richtung der ostdeutschen Kollegin Judith. Israelis weisen auf ihre vergasten Vorfahren. Und Palästinenser weisen auf Rassismus der Israelis.
Termine: 22./23. September, Pact Zollverein