Gladbeck. Die Ruhrtriennale erinnert mit einem Requiem an das kurze Leben des Komponisten Claude Vivier: „Sing für mich, Tod”. David Hermann hat die Musik des Frankokanadiers mit dem Libretto von Albert Ostermaier in Szene gesetzt.

Er gilt als bedeutendster kanadischer Komponist des 20. Jahrhunderts, und doch ist Claude Vivier weitgehend ein Unbekannter geblieben. Mit einem faszinierenden Requiem auf den 1983 ermordeten Künstler setzt die Ruhrtriennale ihre Erfolgsserie unter der Intendanz von Willy Decker in der Maschinenhalle der Zeche Zweckel in Gladbeck fort. „Sing für mich, Tod” nennt Librettist Albert Ostermaier das 90-minütige Ritual.

Die kurze, gerade einmal 34-jährige Lebensgeschichte des Multitalents Vivier bettet Ostermaier in einen fiktiven Dialog des Künstlers mit seinem späteren Mörder. Ein Dialog, der durch vier Kompositionen aus den letzten vier Jahren Viviers vertieft wird.

Den eigenen Tod inszeniert?

Die Kreation endet mit Viviers letzter, fragmentarischer Arbeit „Glaubst du an die Unsterblichkeit der Seele”, in der der homosexuelle Künstler seinen späteren gewaltsamen Tod durch eine zufällige Straßenbekanntschaft prophezeit. Ein kurzes Stück für Chor, drei Synthesizer und zwei Schlagzeuger, das Vermutungen auslöste, Vivier habe seinen eigenen spektakulären Tod inszeniert.

Die genauen Umstände blieben ungeklärt, interessieren Ostermaier jedoch ohnehin weniger als die enge Verbindung zwischen dem Leben und Werk des Komponisten im Allgemeinen.

Verlustängste und Sehnsucht nach Wärme

Seine Reiselust, die Verlustängste des Vollwaisen, dessen pazifistische Gesinnung und Sehnsucht nach Wärme: All das spiegelt sich in den vier Kompositionen wider, die der musikalische Leiter Christoph Poppen zusammenstellte. Mit exzellenten Solisten, der in großer Besetzung angetretenen „musikFabrik” und dem Kammerchor der Dortmunder Chorakademie brachte er sie in vorbildlicher Qualität zum Klingen.

Obwohl Vivier eng mit dem Stockhausen-Clan verbunden war, klingt seine Musik losgelöst von jeder dogmatischen Strenge und jedem stilistischen Diktat. Das musikalische Herzstück des Abends, „Wo bist du Licht”, eine 25-minütige Elegie für Mezzosopran, Schlagzeug, 20 Streicher und Tonband, textlich an Hölderlins „Blinden Sänger” angelehnt, erinnert in seiner abgeklärten Abschiedsstimmung ohne jeden kopierenden Anstrich an Mahlers Endzeitvisionen: stilistisch auf der Höhe ihrer Zeit, emotional tief anrührend.

Mütterliche Ikone soll Halt geben

Regisseur David Hermann lässt die balsamisch weich, wenn auch nicht sehr textverständlich singende Mezzosopranistin Maria Riccarda Wesseling als mütterliche Ikone erscheinen, an deren Brust der verwaiste Künstler Halt sucht. Und er verzichtet in den raffiniert genutzten Räumen von Christof Hetzer auf jede plakative Oberflächlichkeit, choreografiert auch die Dialoge zwischen dem Titelhelden und dem „jungen Mann” (exzellent: Stefan Kurt und Sam Louwyck) mit dezenter Zurückhaltung. Ein paar Stellwände deuten diverse Absteigen an. Das Orchester ist links seitlich auf einem zeitweise hinter Jalousien verborgenen Podest postiert, der Chor tönt aus dem Hintergrund.

Eine rundum würdige Erinnerung an einen zu Unrecht kaum zur Kenntnis genommenen Künstler in einer Produktion, wie sie sich so nur im Rahmen der Ruhrtriennale entfalten lässt. Langer Beifall.

Termine: 8., 11., 12. und 13. September, 20 Uhr (Karten: www.ruhrtriennale.de).