Schweiger, Gabriel und Merkel: Zur Debattenkultur in Zeiten rechtsextremer Hasstiraden gegen Flüchtlinge und all jene, die sich um sie kümmern.

Til Schweiger machte es vor. Als Flüchtlingsfeinde die Facebook-Seite des Film-Promis mit Hasstiraden gegen dessen Hilfsaktion für Asylsuchende geflutet hatten, pöbelte Schweiger zurück: „Ihr seid zum Kotzen! Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack!“ Sigmar Gabriel war der nächste, der die flüchtlingsfeindlichen Demonstranten in Heidenau „Pack“, nannte, das „weggesperrt“ gehöre. Damit sprach er ähnlich wie sein Vorbild Gerhard Schröder über Sexualstraftäter – und vielen aufrechten Demokraten aus der Seele.

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Gabriel versuchte, eine rote Linie zu ziehen – sicherlich auch als Warnung an all jene, die Verständnis oder gar Sympathie für die prügelnden Flüchtlingshasser entwickeln. Damit steht der SPD-Parteichef nun wie der Anführer eines Aufstands der Anständigen da – fraglich ist allerdings, ob er mehr damit erreicht hat.

Die unmittelbar Angesprochenen jedenfalls drehten den Spieß um und skandierten frech „Wir sind das Pack!“ Das zielte auf die zentrale Parole der Wende ‘89. „Wir sind das Volk!“ richtete sich gegen Bonzen und Apparatschiks der DDR, die immer über das Volk sprachen und nie mit ihm.

Dabei hat Gabriel ja das Gespräch gesucht, als er vor Monaten noch auf die Pegida-Demonstranten in Dresden zuging. Die „Pack“-Vokabel sollte den Unterschied demonstrieren zwischen angsterfüllten Wohlstandsverlierern hier und auf Polizisten einprügelnden Rechtsextremisten dort.

200 Stunden sozialer Hilfsdienst

Mit der Wortwahl begibt er sich indes auf Augenhöhe mit denen, die im Internet ungehemmt ihren Hass auf Flüchtlinge herauslassen. Die Internet-Plattformen der Zeitungen (auch dieser) haben alle Hände voll zu tun, die beschimpfenden, zynischen, verachtungsvollen Beiträge zu löschen, die nicht auf Meinungsbildung aus sind, sondern auf Hetze. Manche Berichte über die Situation von Flüchtlingen werden erst gar nicht in sozialen Netzwerken wie Facebook verbreitet, weil sie doch nur Hasskommentare auslösen.

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Facebook begünstigt das flüchtlings- und ausländerfeindliche Pöbeln ebenso wie rechtsradikale Propaganda: In den vergangenen Wochen wurden Dutzende von Fällen bekannt, in denen sich Facebook weigerte, eindeutig rechtsextreme, rassistische, hetzerische Kommentare zu löschen, nachdem Facebook-Nutzer darauf hingewiesen hatten. Die Texte, so Facebook, verstießen nicht gegen Statuten des sozialen Netzwerks – anders als Bilder von stillenden Müttern...

Strafgesetzbuch kennt den Tatbestand der Volksverhetzung

Dass Politiker von Facebook (dem sogar judenfeindliche Beschimpfungen seines Gründers Zuckerberg durchgingen) fordern, es möge entschiedener gegen rechtsextreme Kommentare vorgehen, wird von folgenloser Richtigkeit sein. Im deutschen Rechtsstaat gibt es eine andere Möglichkeit, von der noch viel zu selten Gebrauch gemacht wird.

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Es ist der Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs, der den Tatbestand der Volksverhetzung beschreibt. Erst im Juni dieses Jahres wurde in Schwelm ein Mann aus Ennepetal, der einen rechtsradikalen Satz auf Facebook gepostet hatte, wegen Volksverhetzung verurteilt – zu 200 Stunden sozialem Hilfsdienst.

Das Strafgesetzbuch ist vielleicht auch für gewalttätige Demonstranten die richtige Antwort. Und für die Nazis, die Bundeskanzlerin Angela Merkel als „Volksverräterin“ und „blöde Schlampe“ beschimpften, ebenfalls. Dass die Kanzlerin auf Strafanzeigen verzichtete, ist das falsche Signal. Schweigen ist noch schlechter als Schimpfen.