Berlin. Mit seinen jüngsten Facebook-Einträgen gegen Fremdenhass hat Schauspieler Til Schweiger Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) auf sich aufmerksam gemacht.

Es hat ihn berührt, der Zorn, der Anstand, auch die Courage, ein Zeichen zu setzen. Sigmar Gabriel spürte gleich diesen Impuls: zum Hörer greifen. So viel Spontaneität hat sich der SPD-Chef bewahrt. Es ist Feierabend, als bei Til Schweiger das Telefon klingelt. "Bäm!!!", notiert der Schauspieler auf Facebook, "der Vizekanzler hat sich gemeldet". So fing es an. Denn ja: Es geht weiter, wie Gabriel unserer Redaktion verriet. Sie hätten verabredet, das Gespräch fortzusetzen, "auch um gemeinsame Wege zu finden, etwas gegen Fremdenhass und Gewalt zu tun".

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Dies ist eine Geschichte über einen unverhofften Anschluss, über ein ungleiches, fast gleichaltriges Paar (Schweiger 51, Gabriel 55), den Kampf gegen Rassismus und nicht zuletzt: über die Power der sozialen Netzwerke. Schweiger ist entsetzt über die Fremdenfeindlichkeit. Als er bei "Spiegel online" einen Artikel über "Attacken gegen Flüchtlinge" liest, postet er aufgebracht: "Frau Merkel, Herr Gabriel bitte übernehmen Sie."

Duckt sich denn jeder Politiker weg? Die Kanzlerin urlaubt in den Bergen, weit entfernt. Ihr Vize weilt nicht in der Hauptstadt, sondern an der Ostsee. Aber ob Goslar, Berlin oder Usedom - Gabriel ist meist online.

Til Schweiger und der Kampf gegen den Hass im Netz

Der SPD-Chef surft viel im Netz. Er gehört zu den Politikern, die früh das Potenzial von Twitter oder Facebook erkannt haben. Kaum gelesen, was Schweiger gepostet hatte, da scheucht er seinen Apparat auf: Besorgt mir seine Telefonnummer!

Auf Schweigers Facebook-Seite kann man verfolgen, wie lange schon und wie engagiert sich der Kinostar und Filmproduzent gegen Hass und Gewalt wendet - und wie viele Pfeile er auf sich zieht. "Schweiger Du Spinner! Ich hoffe, Du bist der Erste, der Scheinflüchtlinge an sich zieht", kommentiert einer. "Wenn Du Vogel ne Million weniger aufm Konto hättest und in gewissen Stadtteilen wohnen würdest...komm mal in der Realität an", notiert ein anderer.

Kritik: Sigmar Gabriels Anruf nur PR?

Auch der Kontakt zu Gabriel erregt die Gemüter: "Da hat dich aber jemand für seine PR benutzt, das ist Dir hoffentlich bewusst." Wieder eine andere Userin schreibt in Anspielung auf einen Kinoerfolg: "Lieber Til Schweiger, zu viel Honig im Kopf? Sie bitten uns, die Flüchtlinge mit offenen Armen zu empfangen?"

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Genau das tut er. Hält dagegen. Was wiederum dem Sozialdemokraten Respekt abnötigt. "Schweiger setzt Zeichen", auf seine Art und mit seinen Worten, deutlich und für jedermann verständlich. Er gebe "in den sozialen Medien vielen eine Stimme, die sich Sorgen machen über Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache", erkennt Gabriel an.

Noch etwas anderes dürfte mächtig viel Eindruck gemacht haben, eine siebenstellige Zahl auf der Facebook-Seite des Schauspielers: 1.372.573 Millionen Menschen haben "Gefällt mir" gedrückt, bald 1,4 Millionen. Der Star hat eine riesige Gemeinde, ein Jugendmilieu, das Spitzenpolitikern verschlossen bleibt; und das Gabriel - er selbst hat rund 50.000 Facebook-Fans - nun über Schweiger erreichen kann.

Gabriel und Schweiger telefonierten eine halbe Stunde

Also hat er ihn angerufen, den machtvollen Verbündeten. Eine halbe Stunde lang haben sie geplaudert, ein denkwürdiges Gespräch. "Ich glaub', Gabriel hat fast nur zugehört", erzählt uns ein Vertrauter. 30 Minuten geballter Frustabbau.

Schweiger erzählt, der Politiker habe sich seinen Frust darüber angehört, "dass es in diesem Land, das noch vor nicht allzu langer Zeit selbst auf der Flucht war (und wer weiß, vielleicht irgendwann wieder sein wird), soviel Fremdenfeindlichkeit und blanken Hass gibt". In einem Punkt seien sie sich sofort einig gewesen: Dass die Mehrheit der Deutschen den Hass nicht teile.

Til Schweiger machte den Kontakt publik

Nicht der Wirtschaftsminister, der Künstler machte den Kontakt publik; eine Absprache? Schweigers Zorn "kann ich gut verstehen", erzählt uns Gabriel. Es sei gut, dass er lautstark protestiere, "hoffentlich tun das noch mehr. Denn die rechtsradikalen Menschenfeinde dürfen nicht den Eindruck gewinnen, sie seien die Vollstrecker des Volkswillens. Das Gegenteil ist richtig! Die Menschlichen, die Helfenden, die Engagierten in den vielen tausend Flüchtlingsinitiativen: Sie repräsentieren unser Land und unsere Verfassung". Sie stünden für die Leitkultur unserer Verfassung. "Und ihnen müssen wir zur Seite stehen", fügt er hinzu. Manchmal übermannt ihn das Pathos. Der Kampf gegen rechts hat ihn seit frühester Jugend geprägt: Seit der Zeit bei den "Falken", der SPD-Jugendgruppe, und auch zu Hause gegenüber dem eigenen Vater, was einer breiten Öffentlichkeit viele lange Jahre unbekannt geblieben ist.

Gabriel ist nahe bei sich, spürt aber, dass mehr von ihm erwartet wird als Gutmenschenprosa. Handlungen. Der Staat könne bei vielem helfen, beeilt sich Gabriel klarzustellen: Mit sozialem Wohnungsbau für alle, egal ob Deutscher oder Flüchtling. Mit finanzieller Hilfe für die Gemeinden und Städte zur Integration. Bildung und Ausbildung. Und mit Härte.

Den Menschenhassern müsse man "mit allem begegnen, was dem demokratischen Rechtsstaat zur Verfügung steht: mit Aufklärung und Prävention aber eben auch mit Polizei, Staatsanwaltschaft und harten Strafen." Nick Tschiller, der Kommissar, den Schweiger im Hamburger "Tatort" spielt, hätte es kaum anders ausgedrückt. Als das "empathielose Pack" (Schweiger über seine Kritiker) ihn neulich nach einem Spendenaufruf wüst angefeindet hat, postete er: "Ihr seid zum Kotzen!"