Essen. Hein Mulders, Intendant des Essener Aalto-Musiktheaters und Chef der Philharmoniker, im Gespräch über die Zukunft und seinen bisherigen Kurs.

Seine Ruhe und Freundlichkeit haben sich nicht abgenutzt in den fast zwei Jahren, die Hein Mulders nun schon breite Schultern zeigen muss. Seit Sommer 2013 ist er Intendant des Aalto-Theaters, zugleich Chef der Philharmonie Essen. Dass er auch wenig Gespieltes auf die Opernbühne gebracht hat, war mutig, doch für ein Stadttheater auch recht riskant. Im Gespräch mit unserer Zeitung steht er zu seinen Wagnissen, kündigt aber für die Zukunft wieder mehr Populäres an.

Herr Mulders, Ihre zweite Aalto-Spielzeit neigt sich fast schon dem Ende zu. Für uns ist eindeutig: Sie haben bewusst andere Schwerpunkte gesetzt als Ihr Vorgänger. Gab es darum so viele Raritäten?

Hein Mulders: Für mich war ein Ziel, dem Publikum Besonderes zu bieten, ganz andere Stücke, ganz andere Farben. Stefan Soltesz stand ganz klar fürs Standardrepertoire.

Standard kann auch erste Qualität bedeuten. Ist das nicht sogar gut und richtig für ein Stadttheater? Da schlägt das Herz nun mal für „Rigoletto“ und „Carmen“...

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Mulders: Natürlich, ich sage doch nichts gegen diese Politik. Unser Haus zehrt bis heute von dem, was Soltesz in 16 Jahren hier aufgebaut hat. Aber wir zeigen jetzt auch, dass es noch anderes zu entdecken gibt. Die Leute, die kommen, sind oft begeistert – auch bei „Macabre“, was sicher nicht für jeden ist. Dass einige Zuschauer in der Pause gehen, bedauere ich, weil sie sich offenbar nicht auf etwas Neues einlassen wollen. Aber die, die bleiben, sind hin und weg.

Wussten Sie vorher, dass ein „Idomeneo“ oder ein „Werther“ keine Publikumsmagneten sind?

Mulders: Ja, sicher, das war mir klar. Ein „Werther“ hat es nirgends auf der Welt leicht, obwohl es eine kostbare Oper ist. Aber ich erkenne jetzt auch, dass ich in der zweiten Spielzeit vielleicht etwas weit gegangen bin. „Idomeneo“, „Macabre“, „Die schweigsame Frau“ , das sind keine klassischen Repertoirerenner.

Es gibt eine leicht sinkende Auslastung. Ändert sich Ihr Kurs?

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Mulders: Es war für mich klar, dass ich mich nach dieser Phase auch mit „Blockbustern“ ans Publikum wende. Ich kann Ihnen versprechen: ein großer Verdi, ein zentraler Rossini und ein populärer Bellini sind in den nächsten Spielzeiten dabei. Es kommt in dieser Liga wieder mehr.

Ein Kompliment zur musikalischen Entwicklung: Nach der Soltesz-Fixierung tun die wechselnden Dirigenten dem Orchester überraschend gut, sie locken ganz wunderbare Klangfarben hervor.

Mulders: Das begeistert mich auch. Es ist eine Freude zu sehen, wie individuell die Dirigenten die Stärken der Essener Philharmoniker wahrnehmen. Ich würde mir manchmal wünschen, dass das noch mehr in den Fokus der Wahrnehmung kommt.

Über die Regie-Arbeiten sind nicht alle glücklich. In sparsamen Zeiten haben Sie aber nur fünf Neuinszenierungen pro Spielzeit. Kann man da als Hausherr überhaupt zweite Chancen geben?

Mulders: Normalerweise ja, aber Sie sagen es: Fünf sind extrem wenig. Und wenn ein Guter mal danebengreift, muss man schon gut überlegen, ob er einen Folgeauftrag bekommt. Ich versuche einen Mix aus großen Namen und ambitionierten Jungen.

Nicht wenige würden den Namen Hilsdorf gerne wieder bei den Aalto-Besetzungen sehen...

Mulders: Dietrich Hilsdorf hat hier 19 Inszenierungen gemacht, einige davon halten wir bis heute und das mit Stolz. Aber es ist wirklich sehr viel und erst einmal gut. Die Tür ist aber bei mir nie ganz zu, vielleicht kommen Herr Hilsdorf und Herr Soltesz ja mal als Gäste zurück.

Sie wissen, dass man die beiden auch getrennt buchen kann?

Mulders: (lacht herzlich) Ja, das weiß ich.