Berlin. Seit Jahren gibt es erbitterten Streit um die elektronische Gesundheitskarte. Ab diesem Jahr wird die Chipkarte nun Pflicht. Zum Jahreswechsel wurden die alten Krankenversichertenkarten ungültig. Doch der medizinische Nutzen ist umstritten.
Seit Jahren wird an der elektronischen Gesundheitskarte herumgedoktert. Die Zukunft kommt bei dem milliardenschweren IT-Projekt nur im Schneckentempo. Nun aber wird die "eGk" Pflicht. Von 1. Januar 2014 an müssen Versicherte beim Arzt die neue Karte vorlegen.
Wer bisher noch die alte Versicherungskarte im Portemonnaie trägt, sollte sie schleunigst austauschen. Denn sie wurde zum Jahresende ungültig. Doch der medizinische Nutzen der Nachfolgekarte ist höchst umstritten.
Bis Oktober mit alter Karte abrechnen
Versicherte ohne die neue eGk müssen zwar nicht befürchten, in der Praxis abgewiesen zu werden. Denn Ärzte können nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) noch bis zum 1. Oktober 2014 mit der alten Karte arbeiten und abrechnen. Doch wird es ohne eGk umständlicher.
Denn Versicherte müssen dann innerhalb von zehn Tagen nach der Behandlung einen gültigen Versicherungsnachweis einreichen. Andernfalls kann der Arzt die Kosten der Behandlung privat in Rechnung stellen. "Es ist auf jeden Fall ratsam, sich möglichst schnell die elektronische Gesundheitskarte über seine Krankenkasse zu besorgen", sagt Kassenverbandssprecher Florian Lanz.
Unterschied ist das Lichtbild
Rund 95 Prozent der rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland haben die eGk inzwischen. Der einzige klar erkennbare Unterschied zur alten Karte ist das Lichtbild, das den Missbrauch der Karte verhindern soll. Die herkömmlichen Karten waren immer wieder von nicht versicherten Patienten durch Täuschung mitgenutzt worden.
Bislang sind auf der eGk nur die Stammdaten des Patienten, also Name, Geburtsdatum, Adresse und Versichertennummer gespeichert, und auf der Rückseite der Auslandskrankenschein. Sonst kann die Karte eigentlich nichts.
Blutgruppe soll gespeichert werden
Nicht einmal die Online-Anwendung, um Patientendaten etwa bei Heirat oder Umzug rasch zu ändern, ist bisher aktiviert. Bisher musste bei jeder Adressen-Änderung eine neue Karte ausgegeben werden. Künftig sollen auch Daten etwa zur Blutgruppe oder zu Allergien auf der Karte gespeichert werden können.
Auch Kennzeichen für den Organspendeausweis, aber auch den Zuzahlungsstatus kann die Karte speichern. Dies alles ist aber ebenso Zukunftsmusik wie das elektronische Rezept. Eines Tages soll die "intelligente" Karte sogar Patientenakten, Arztbriefe und Röntgenbilder speichern.
Datenschützer warnen vor Speicherung
Vor allem dagegen laufen die Kritiker Sturm. Auch wenn rund 67 Millionen neue Gesundheitskarten bereits verteilt wurden, hält der Widerstand an. Gegner befürchten eine Vorratsdatenspeicherung im Gesundheitswesen, die den Interessen von Gesundheitskonzernen, Krankenkassen und IT-Wirtschaft diene.
Ihr Szenario: Vertrauliche Krankheitsdaten, die künftig auf der Karte gespeichert werden, werden weitergereicht, Patienten würden nicht nur "gläsern", sondern auch erpressbar. Bestätigt in ihrer Sorge fühlen sich Datenschützer, Teile der Ärzteschaft und Bürgerrechtler durch die jüngsten Datenskandale.
Versicherter entscheidet über Daten
Bislang hat das Projekt rund 728 Millionen Euro an Beitragsgeldern gekostet. Jahrelang dümpelte es vor sich hin. Feldversuche gab es schon 2004 und 2005. Dann sollte die neue Karte in der Pilotregion Nordrhein mit rund 9 Millionen gesetzlich Versicherten starten.
Doch schon kurz nach dem Start 2009 kam die Ausgabe ins Stocken. Immer wieder wurde der Termin für die bundesweite Einführung verschoben. 2011 verdonnerte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung die Kassen dann per Gesetz dazu, Tempo zu machen.
Die Befürworter der eGk verweisen auf eine spezielle Verschlüsselungstechnologie, die die Karte sicherer mache. Die Speicherung von Notfalldaten könne lebensrettend sein. Und: Über alle Daten auf dem Chip entscheidet allein der Versicherte. (dpa)