Paris/Marseille. Für tausende Frauen weltweit sind die Billigbrustimplantate des Unternehmens PIP zu einem Alptraum geworden. Doch viele der Opfer sprechen aus Scham nicht über ihre Erfahrungen. Eine 42-Jährige aus Deutschland will andere Betroffene ermutigen und erzählt ihre Geschichte.

Scham, Angst und Schmerzen: Französische Billig-Brustimplantate aus Industriesilikon sind allein in Deutschland für mehr als 5000 Frauen zum Alptraum geworden. An diesem Dienstag (10. Dezember) wird im ersten Strafverfahren gegen den Gründer des Herstellerunternehmens PIP ein Urteil erwartet. "Ich wünsche mir sehr, dass die Verantwortlichen ihre gerechte Strafe bekommen. Sie sind kriminell und haben die Gesundheit der Frauen aufs Spiel gesetzt, um ihre Geldgier zu stillen", sagt Cornelia H..

Die 42-Jährige aus der Nähe von Karlsruhe erzählt als eine von ganz wenigen Frauen ihre Leidensgeschichte. Sie will aufklären und ermutigen, offen mit dem Thema umzugehen.

"Viele wollen sich nicht als PIP-Opfer outen, weil sie Angst haben, belächelt zu werden. Es ist ja leider immer noch der Fall, dass Frauen mit Brustimplantaten auf eine gewisse Schiene gestellt werden", sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. Kaum jemand wisse, dass eine Entscheidung für eine Operation oft am Ende eines gut überlegten Prozesses stehe. Nach jahrelangen Komplexen, langer Stillzeit oder einer Krebserkrankung zum Beispiel.

Brustvergrößerung als "Seelenbonbon"

Bei Cornelia H. begann alles damit, dass ihr Busen nicht so wuchs wie bei anderen Mädchen. "Die Komplexe fingen schon in der Schule an. Ich weigerte mich, am Schwimmunterricht teilzunehmen." Auch später habe sie wegen ihrer "extrem kleinen Brust" immer einen großen Bogen um öffentliche Bäder gemacht. "Ich habe mich nie wohl gefühlt in meiner Haut." Einfach ein schönes Dekolleté - das habe sie sich gewünscht.

Als dann noch ein Kinderwunsch zunächst unerfüllt blieb und Cornelia H. "auch in diesem Bereich todunglücklich" war, beschloss sie nach langer Überlegung, sich als "Seelenbonbon" eine Brustvergrößerung zu gönnen. Das war 2004, sie war 33 Jahre alt. "Zu diesem Zeitpunkt waren im Fernsehprogramm quasi tagtäglich irgendwelche Schönheitsoperationen zu sehen", erzählt sie. Dabei wurden auch Operationen im Ausland vorgestellt und schmackhaft gemacht. Gerade Osteuropa habe den Vorteil, dass Krankenhaus- und Personalkosten bei gleicher Qualität viel geringer seien als in Deutschland, hieß es.

Sieben Jahre später folgte der Schock

Cornelia H. entschied sich für eine Operation in Tschechien. Die organisatorischen Dinge wurden über eine Vermittlung in Deutschland geregelt, die der jungen Frau sogar ein Hotel reservierte. "Beim Besprechungstermin mit dem behandelnden Arzt Dr. B. machte dieser einen sehr netten, kompetenten Eindruck. Er sprach deutsch, und ich konnte mich ohne Missverständnisse unterhalten", berichtet sie.

Bei der Frage nach dem Implantate-Hersteller kam für Dr. B. nur PIP in Betracht. "Er sprach von den besten Implantaten überhaupt, die weltweit marktführend sind." Die PIP-Produkte sollten "innen zäh wie Gummibärchen" sein, und außen hätten sie eine angeraute Oberfläche, die sich besonders gut mit dem Gewebe verbinden würde, hieß es. Cornelia H. hatte von den PIP-Implantaten auch in Deutschland gehört. Sie wusste, dass sie sehr viel verwendet werden und sagte ja.

Mehr als sieben Jahre später, im Januar 2012, folgte der Schock. Ihr Mann las in der "Bild"-Zeitung vom PIP-Skandal. "Als ich dann nach meinen Implantatausweisen schaute und sah, dass meine Implantate betroffen waren, war ich wie vom Blitz getroffen", erzählt sie. Am nächsten Tag vereinbarte sie sofort einen Kontrolltermin beim Frauenarzt, dieser verwies sie an einen Chirurgen in Karlsruhe. "Dort wurde ich nochmals untersucht und in einem Gespräch darauf hingewiesen, dass es besser wäre, die Implantate eher heute als morgen zu entfernen und auszutauschen", erinnert sie sich.

Brust musste drei Monate heilen

Der OP-Termin wurde auf den 13. Februar festgelegt. Die Kosten musste Cornelia H. selbst tragen. Bei dem Eingriff wurde festgestellt, dass das linke Implantat auf einer Länge von mehr als neun Zentimetern gerissen war, und dass sich viel Eiter in der Brust befand. Das Einsetzen von neuen Implantaten war deshalb nicht möglich, die Brust musste erst drei Monate heilen.

Der Schreck saß tief, vor allem, weil Cornelia H. in der Zwischenzeit doch noch einen Jungen und ein Mädchen zur Welt gebracht hatte. "Wer weiß, was die Kinder während der Schwangerschaft vielleicht für Gifte von den Implantaten abbekommen haben?", sorgt sie sich immer noch. Sie ist froh, dass es bis heute keine Belege dafür gibt, dass durch das PIP-Silikon schwere Krankheiten ausgelöst werden können. (dpa)