Berlin. Die Stromgewinnung aus Braunkohle ist gesundheitsschädlicher als bisher angenommen. Laut einer aktuellen Studie sterben EU-weit etwa 18.200 Menschen jährlich an den Folgen der Verschmutzung durch Kohlekraftwerke. Giftige Feinstaub-Partikel lösen zudem häufig Atemwegserkrankungen aus.

Die Stromgewinnung aus Kohle ist einer Studie zufolge in Europa für Milliardenkosten durch gesundheitliche Schäden und tausende vorzeitige Todesfälle verantwortlich. Die externen Kosten müssten die Gesundheitssysteme und andere Unternehmen tragen, kritisierten die Autoren einer am Mittwoch in Berlin auf deutsch vorgestellten Untersuchung. Eine weitere Studie ergab, dass ein Ausbau der Braunkohle-Verstromung für die Energiewende nicht nötig ist.

EU-weit stürben jährlich mehr als 18.200 Menschen vorzeitig an den Folgen der Verschmutzung durch Kohlekraftwerke, in Deutschland seien es etwa 2700 Todesfälle, ergab die Studie "Was Kohlestrom wirklich kostet - Gesundheitsfolgen und externe Kosten durch Schadstoffemissionen" der Allianz Gesundheit und Umwelt (HEAL). Schuld seien Feinstaub-Partikel und giftige Abgase aus den Schloten.

Vier Millionen Arbeitstage gehen verloren

Die wirtschaftlichen Kosten durch die gesundheitlichen Schäden schätzen die Gesundheitsexperten auf mindestens 15,5 und bis zu 42,8 Milliarden Euro pro Jahr in der EU. In Deutschland sind es demnach 2,3 bis 6,4 Milliarden Euro. Bezahlt würden die externen Kosten der Kohlekraftwerke "von einzelnen Betroffenen, den nationalen Gesundheitssystemen und von der Wirtschaft, die Produktivitätseinbußen durch Krankheitsfälle erleidet".

Die Kosten werden demnach hauptsächlich durch Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht. Über 8500 neue Fälle chronischer Bronchitis seien in der EU jedes Jahr auf die Verfeuerung von Kohle zurückzuführen. Dadurch gingen jährlich mehr als vier Millionen Arbeitstage verloren. Hinzu kämen indirekte Folgen wie Gesundheitsschäden durch den Klimawandel, zu dem die Emissionen der Kraftwerke beitrügen.

Die externen Kosten von Kohlekraftwerken würden "bislang bei der Erörterung des zukünftigen europäischen Energiemixes außen vor gelassen", kritisierten die Studienautoren. "Im Zuge dessen muss der Behauptung, Kohle sei eine preiswerte Energiequelle, entschieden widersprochen werden." Ein Ausstieg aus der Kohleverstromung "zum Schutz der menschlichen Gesundheit" sei "unumgänglich".

Braunkohle ist für die Energiewende nicht notwendig

Jean-Paul Sculier von der Lungengesundheit-Organisation ERS erklärte in einem Vorwort zur Studie, der Handlungsbedarf sei groß: "Die wissenschaftlichen Beweise für den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Lungengesundheit - sowohl mit Blick auf die Krankheitsziffern als auch auf die Sterblichkeit - lassen keinen Zweifel mehr zu." Allein durch Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung aus Kohlekraftwerken seien "bedeutende Einsparungen bei den Gesundheitskosten möglich".

Eine ähnliche Studie wie HEAL hatte kürzlich bereits die Umweltschutz-Organisation Greenpeace vorgestellt. Dieser zufolge sind deutsche Kohlekraftwerke statistisch für mehr als 3000 vorzeitige gesundheitsbedingte Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Die Kraftwerkbetreiber hatten der Untersuchung heftig widersprochen. HEAL lud die Unternehmen nach eigenen Angaben zur Vorstellung der Studie am Mittwoch ein, um direkt reagieren zu können - diese lehnten ein Kommen demnach aber ab.

Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ergab unterdessen, dass Deutschland trotz des Atomausstiegs nicht mehr Strom aus Braunkohle benötige. Auch die Erschließung neuer Tagebau-Felder sei "nicht notwendig und nicht wirtschaftlich". Braunkohle sei für die Energiewende "nicht notwendig und wird ihre Bedeutung rasch verlieren", erklärte DIW-Forschungsdirektor Christian von Hirschhausen. (afp)