Berlin. . Die Umweltorganisation Greenpeace hat eine Feinstaub-Studie der Uni Stuttgart ausgewertet und kommt zu umstrittenen Ergebnissen. Fünf der zehn schlimmsten Kohlemeiler in Deutschland stehen demnach in NRW. Auf ihr Konto gehen mehrere Hundert Todesfälle, behauptet Greenpeace.
Niederaußem, Weisweiler, Frimmersdorf und Neurath – die vier Kraftwerks-Standorte des rheinischen Braunkohlereviers und der Steinkohlenmeiler in Gelsenkirchen-Scholven gehören laut Greenpeace zu den zehn schlimmsten Kohlekraftwerken bundesweit, wenn es um gesundheitsschädliche Feinstaub-Belastungen geht. 3100 Todesfälle jährlich gingen auf das Konto der Feinstaub-Emissionen aller 67 Kohlekraftwerke in Deutschland, hat Greenpeace aus einer Studie der Uni Stuttgart errechnet.
„Das gesundheitsschädlichste Kohlekraftwerk ist Jänschwalde an der polnischen Grenze“, sagt Greenpeace-Energieexperte Gerald Neubauer. Allein diesen Blöcken des Konzerns Vattenfall weist die Umweltorganisation jährlich 379 Todesfälle zu. Gleich danach rangiert mit 269 Toten das von RWE betriebene Kraftwerk Niederaußem.
"Greenpeace blendet Fakten aus"
Diese Zahlen sind ebenso drastisch wie umstritten. Die Stromerzeuger weisen den Vorwurf zurück, dass Braunkohle besonders gesundheitsgefährdend sei. „Die Greenpeace-Studie blendet wichtige Fakten und Erkenntnisse aus“, kritisiert Vattenfall-Vorstand Hubertus Altmann. Dahinter stecke die klare Absicht, den Energieträger Kohle zu diskreditieren und den Menschen Angst zu machen. Auch RWE-Sprecher Lothar Lambertz sieht in der Studie eine Kampagne gegen die Kohle. Dabei trage der Energieträger gerade einmal fünf Prozent zur Feinstaubbelastung bei.
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Beide Unternehmen berufen sich auch auf eine Untersuchung des Branchenverbands VGB. Darin kam unter anderem der TÜV Rheinland zu dem Ergebnis, dass die Luftqualität durch Kohlekraftwerke nur unwesentlich verändert wird. Erhöhte Gesundheitsbelastungen sieht der Verband vor allem in Regionen, in denen andere Emissionen, etwa durch den Verkehr oder durch Heizungen, eine große Rolle spielen.
Uni Stuttgart kommt zu einem anderen Ergebnis
Rainer Friedrich von der Uni Stuttgart kommt zu einem anderen Resultat. Anhand der freigesetzten Schadstoffe durch die einzelnen Anlagen hat der Forscher die gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung simuliert. Das Ergebnis liest sich aber auch etwas anders als von Greenpeace dargestellt. Friedrich kommt auf einen durchschnittlichen Verlust an Lebenszeit von 1,8 Stunden in Deutschland und 13,4 Minuten im restlichen Europa durch die Emissionen heimischer Anlagen. „Statistisch sterben manche sehr viel früher, während andere gar nicht betroffen sind“, sagt Friedrich.
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Dazu kommen nach seinen Berechnungen noch rund 700.000 Arbeitstage, die durch gesundheitsbedingte Ausfälle verloren gehen. Anhand von Krankheitsstatistiken ließe sich die Simulation nicht bestätigen, räumt der Forscher ein. Dazu müsste eine Langzeitstudie vor Ort erstellt werden.
Die laut Studie hohe Luftbelastung kommt durch die Umwandlung von Schwefeldioxid und Stickoxiden in Feinstaub zustande. Diese Stoffe verbinden sich mit dem in der Landwirtschaft freigesetzten Ammoniak. Da dies erst Tage nach dem Verlassen des Kraftwerksschornsteins geschieht, kommt der Feinstaub erst in größeren Entfernungen auf die Erde nieder. In den 100 bis 200 Kilometer von den Blöcken entfernten Gebieten sei die Belastung am höchsten – in NRW wäre demnach die Rhein-Ruhr-Region besonders stark betroffen.
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Greenpeace fordert Kohleausstieg
Kohlekraftwerke sind nicht die schlimmsten Dreckschleudern. Landwirtschaft und Straßenverkehr erzeugen laut Friedrich größere Teile der Abgase. Dennoch fordert Greenpeace nach dem Atom- nun auch den Kohleausstieg. „Die Gesundheitsschäden sind unakzeptabel“, sagt Neubauer.