Grevenbroich. . NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) sieht in der geplanten „Strompreisbremse“ der Bundesregierung eine Gefahr für die Windwirtschaft. Mehr als jede dritte geplante Anlage könne bei den derzeitigen Vorschlägen wohl nicht realisiert werden, so der Minister. Die Branche spricht von einer noch dramatischeren Lage.
Energietechnisch ist Grevenbroich ein interessantes Pflaster: Gigantische Braunkohle-Kraftwerke sorgen für weiße Rauchschwaden, die von der Autobahn zu sehen sind. Eine Tagebau-Wüste charakterisiert die südwestliche Aussicht. Und, hoch oben auf einer Aue, befindet sich das größte Windtestfeld der Welt. Grevenbroich steht im Grunde für ganz NRW: Hier soll es künftig weg vom Schlot, und hin zum Wind gehen. Doch die Trendwende droht zu kippen. Bei einem Besuch der Testanlage warnte NRW-Minister Remmel gestern vor der geplanten „Strompreisbremse“ der Bundesregierung. Mehr als jede dritte geplante Windanlage sei dadurch gefährdet – und damit auch die Energiewende an sich.
„Die Bundesregierung betreibt die Energiewende ohne Masterplan und ohne Kompass“, kritisierte Remmel. Im Februar hatten Umweltminister Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Rösler (FDP) hastig zum runden Tisch geladen. Sie berichteten den Ländern von ihrer geplanten „Preisbremse“, die Strom trotz Energiewende bezahlbar machen soll. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, den Strom aus Windkraftanlagen nicht mehr wie bisher zu fördern. Angebliches Einsparpotential: 40 Millionen Euro jährlich. Für Remmel zu kurz gedacht. „Das steht in keinem Verhältnis zu den drohenden Mehrkosten durch Insolvenzen, Arbeitsplatzverlusten sowie zusätzlichem Bedarf bei Netzausbau und Speicherung“, sagte der NRW-Minister.
Verband fordert mehr Einsparungbei Windkraft auf dem Meer
Die Folge der Kürzungen seien Investitionsstopps in der Windwirtschaft. Michael Liesner, Leiter Landespolitik beim Windanlagen-Hersteller Enercon, befürchtet: „Die Strompreisbremse wird zu einer Investitionsbremse. In NRW werden mit den derzeit vorgeschlagenen Maßnahmen bis zu 70 Prozent der schätzungsweise 200 in Planung befindlichen Projekte nicht umgesetzt werden können.“ Nach Angaben des Bundesverbandes WindEnergie arbeiten in Nordrhein-Westfalen rund 10 000 Menschen in der Windanlagen-Produktion, die gefährdet seien.
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Auch der Landesverband Erneuerbare Energien lehnt die Vorschläge des Bundes ab. Er fordert, die Vergütung für Wind-Strom in den ersten fünf Monaten nicht, wie geplant, auszusetzen. Die Absenkung der Anfangsvergütung dürfe nicht abgewürgt werden -- damit würde ein zentraler Pfeiler der Energiewende gekappt. Stattdessen solle die Regierung an die Förderung für Offshore-Wind ran, also Windanlagen auf dem Meer. Sie würden weiterhin jährlich mit zwei Milliarden Euro vorangetrieben.
Falls die „Bremse“ wie geplant kommt, sieht sich NRW vor einem Problem. Denn eigentlich hat die Landesregierung ambitionierte Ziele: 15 Prozent des Stroms an Rhein und Ruhr sollen bis 2020 aus Windenergie kommen, bis 2025 sind 30 Prozent geplant. Machbar sei das, belegte eine Studie des Ministeriums. „Wir waren gerade dabei, aufzuholen“, so Remmel. Bisher kommen erst vier Prozent des Stroms aus Windenergie.
Der Bund will sich noch in dieser Woche mit den Ländern einigen. NRW aber werde den ursprünglichen Plänen so nicht zustimmen, sagte Remmel. „Wenn dieser Kurs fortgesetzt wird, fahren Merkel, Rösler und Altmaier die Energiewende vor die Wand.“