Essen. . Alle Jahre wieder kommt die Grippe. Neben vielen Oma-Tipps schwirren auch Gerüchte über die Krankheit und die Impfung umher. Was davon stimmt?
Eine echte Grippe (Influenza) ist nicht das gleiche wie eine Erkältung ("grippaler Infekt"). Das haben die meisten inzwischen verstanden. Doch trotzdem gibt es beim Thema Grippe und gerade auch Grippe-Impfung viele Irrtümer, Missverständnisse und Legenden. Gerhard Falkenhorst, Influenza-Experte des Robert-Koch-Instituts, hilft uns, mit den zehn größten Grippe-Irrtümern aufzuräumen.
Irrtum 1: Die Grippe-Impfung brauchen nur Alte und kleine Kinder.
Falsch, sagt der Experte. Die Grippe-Impfung werde nicht nur Menschen ab 60 Jahren empfohlen, sondern unabhängig vom Alter auch allen, bei denen wegen einer bestehenden chronischen Erkrankung eine Grippeerkrankung besonders schwer verlaufen kann. Dazu gehören beispielsweise Menschen, die Asthma, eine chronische Bronchitis oder eine Herzerkrankung haben.
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"Es sind zwei Gruppen, denen wir eine Impfung empfehlen", sagt Falkenhorst, "einerseits die, bei denen eine Ansteckung besonders häufig vorkommt, und andererseits die, bei denen eine Erkrankung besonders gefährlich ist."
Seit 2010 werde deshalb, so Gerhard Falkenhorst, auch Schwangeren empfohlen, sich impfen zu lassen (siehe Irrtum 9). Außerdem werde die Impfung für medizinisches Personal und Pflegekräfte in Altenheimen empfohlen, damit diese nicht zur Infektionsquelle für die von ihnen betreuten Menschen werden. Alle anderen Menschen, die Angst vor einer Grippe-Ansteckung haben, sollten ihren Arzt um Rat fragen.
Irrtum 2: Durch die Grippe-Impfung werde ich erst recht krank.
Stimmt auch nicht. Der Influenza-Impfstoff sei in der Regel gut verträglich, sagt Falkenhorst. Vereinzelt könne es zu Nebenwirkungen wie Fieber, Frösteln oder Schwitzen, Müdigkeit, Kopf-, Muskel- oder Gliederschmerzen kommen. Aber diese Symptome würden spätestens nach ein bis zwei Tagen abklingen - schneller als eine richtige Grippe vorübergehen würde.
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Schlimmer als eine Grippe, die für tausende Menschen jedes Jahr tödlich endet, sind eventuelle Nebenwirkungen der Impfung auf keinen Fall. Eine Infektion mit dem Grippe-Virus durch die Impfung ist ausgeschlossen, denn die heutzutage verwendeten Impfstoffe enthalten gar keine vollständigen Viren, sondern nur einzelne Virusbestandteile, die ausreichen, um eine Antwort des Immunsystems auszulösen. Ausnahme: der neue Nasenspray-Impfstoff (s. Irrtum 5)
Irrtum 3: Sich jedes Jahr impfen zu lassen, fördert Resistenzen.
Das ist falsch, sagt Gerhard Falkenhorst vom Robert-Koch-Institut. Bei der Grippe-Impfung sei es sogar sehr sinnvoll, sich jedes Jahr impfen zu lassen, weil der Impfstoff jedes Jahr an einen sich verändernden Virus angepasst werde. Zudem wirke die Impfung vermutlich nur ein Jahr: Wer auf eine erneute Impfung verzichtet, könne also krank werden.
Einen wirksameren Schutz als die Impfung gebe es nicht, warnt Falkenhorst. Natürlich sei es gut, sich gesund zu ernähren, Sport zu treiben oder sich warm zu kleiden - "aber einen zuverlässigen Schutz gegen Grippe-Viren bietet das alles nicht."
Irrtum 4: Hin und wieder eine Grippe fördert das Immunsystem.
Dafür gibt es keinerlei Belege, sagt Gerhard Falkenhorst. Was das Immunsystem wirklich stärke, sei die Grippe-Impfung. Denn durch sie "lerne" der Körper, mit den Grippeviren umzugehen. "Wenn Sie mit Gewichtheben anfangen, nehmen Sie auch erst einmal leichte Gewichte, statt es gleich mit 50 Kilogramm zu versuchen."
Durch eine Grippe werde man auch keineswegs immun gegen "die Grippe", sondern nur gegen den einen Virus, mit dem man sich infiziert habe. "Die Grippeviren verändern sich aber ständig", erklärt Falkenhorst, deshalb könne man immer wieder erkranken.
Irrtum 5: Eine Grippe-Impfung muss nicht gespritzt werden. Es gibt auch Nasenspray oder Pflaster.
Stimmt nicht ganz. Zwar gebe die Grippe-Impfung auch als Nasenspray, "dieser Impfstoff ist aber bislang nur für Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre zugelassen", sagt Falkenhorst.
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Anders als in der herkömmlichen Spritze werden bei dem Nasenspray lebende Viren verwendet. "Bei Kindern bis etwa sechs Jahre ist nachgewiesen, dass diese Impfung besser wirkt", sagt Falkenhorst. Bei Erwachsenen nicht. Das Pflaster zur Grippe-Impfung befinde sich noch im Versuchsstadium: Es gibt erste Erfolge, aber noch keine Zulassung.
Irrtum 6: Eine Impfung, wenn Husten und Schnupfen schon da sind, ist besser als gar keine Impfung.
Es ist zu spät, sich erst impfen zu lassen, wenn die Symptome schon da sind, warnt Grippe-Experte Gerhard Falkenhorst. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt, sich bereits im Oktober oder November um die Impfung zu kümmern. Die Influenza-Saison beginne in Deutschland meist kurz nach dem Jahreswechsel. Allerdings brauche der Impfstoff bis zu 14 Tage, um seine vollständige Wirksamkeit zu entfalten. Wer sich impfen lässt, wenn er schon mit dem Grippevirus infiziert ist, kann trotzdem krank werden, sagen die Experten.
Irrtum 7: Bei Übergewichtigen zeigt die Impfung keine Wirkung. Dicke können sich den Piks also sparen.
Quatsch, sagt Grippe-Experte Falkenhorst: Einige Länder würden extrem Übergewichtigen sogar besonders zur Grippe-Impfung raten, weil sie für den Fall einer Grippeerkrankung häufiger mit Komplikationen rechnen müssen. Zwar könne es sein, dass geimpfte Übergewichtige häufiger an der Grippe erkranken als geimpfte Normalgewichtige, aber das sei logisch: Auch ohne Impfung würden Übergewichtige häufiger erkranken als Menschen mit normalem Gewicht.
Irrtum 8: Grippe? Das ist doch nur Panikmache. Jedes Jahr warnen allerlei "Experten" vor einer ganz schweren Grippe-Welle, aber immer bleibt sie aus.
"Wir wissen nicht, ob eine schwere Grippe-Saison bevorsteht oder nicht", gibt Grippe-Experte Falkenhorst zu. Das gelte aber auch für alle anderen, die vorschnell Entwarnung geben - oder die große Pandemie prophezeien. Man wisse nicht einmal, wovon es abhängt, ob in einem Jahr viele oder wenige Menschen an der Grippe erkranken. Ein Anhaltspunkt könnte aber die Veränderung des Virus sein: "Wenn das Virus sich über mehrere Jahre nur wenig verändert , ist ein größerer Teil der Bevölkerung gegen das Virus immun - sei es durch eine vorangegangene Infektion oder durch die Impfung ", sagt Falkenhorst - weniger Erkrankungen seien die Folge.
Irrtum 9: Wer schwanger ist, sollte sein Immunsystem schonen und auf die Impfung verzichten.
"Grundsätzlich ist man natürlich in der Schwangerschaft mit Medikamenten und Impfungen sehr zurückhaltend", kommentiert Gerhard Falkenhorst. Neue Untersuchungen hätten allerdings gezeigt, dass eine Influenza bei Schwangeren im Vergleich zu Nicht-Schwangeren deutlich häufiger mit Komplikationen, bis hin zu lebensbedrohlichen Verläufen, verbunden ist.
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Deshalb sollten sich alle Frauen, die während der Influenza-Saison schwanger sind, impfen lassen. Das schütze übringens nicht nur die werdende Mutter, sondern auch das Kind. Der Impfstoff sei für Neugeborene nicht geeignet, durch die Impfung der Mutter werde es aber geschützt. Schwangeren empfiehlt Falkenhorst, sich im zweiten Drittel der Schwangerschaft impfen zu lassen.
Irrtum 10: Warum mit einer Impfung vorsorgen? Gegen Grippe gibt es doch gute Medikamente.
"Ja, es gibt spezielle Medikamente gegen das Influenza-Virus", sagt Falkenhorst, aber damit diese wirken, müssten sie spätestens zwei Tage nach Ausbruch der Krankheit eingenommen werden. "Da wissen die meisten noch gar nicht, dass sie die Grippe und nicht bloß einen grippalen Infekt haben." Die Medikamente können helfen, bei Patienten, die ein besonders hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, diesen abzumildern. Eine ernstzunehmende Alternative zu einer vorbeugenden Impfung seien diese Medikamente aber nicht. Außerdem wäre der massenhafte Gebrauch dieser Medikamente mit der Gefahr der Resistenzbildung verbunden.
Ausführliche Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Grippeimpfung finden Sie auch auf der Webseite des Robert Koch-Instituts.