Leipzig. Schon ein paar Tropfen Blut sollen Eltern Klarheit geben, ob ihr ungeborenes Kind das Down-Syndrom hat. Der Test könnte riskante Untersuchungsmethoden ersetzen. Allerdings gibt es ethische Bedenken: Schon jetzt werden 90 Prozent aller angeborenen Kinder mit der Diagnose Down-Syndrom abgetrieben.
Mit ein paar Tropfen Blut sollen werdende Eltern künftig Klarheit erhalten, ob ihr Kind das Down-Syndrom hat. Die Konstanzer Firma LifeCodexx bringt voraussichtlich Ende Juni einen Test auf den Markt, der eine Trisomie 21 schon in einer Blutprobe der Schwangeren erkennt und riskante Fruchtwasseruntersuchungen in vielen Fällen überflüssig macht. Zugleich befeuert der sogenannte PraenaTest aber auch die alte Debatte über die vorgeburtliche Diagnostik. Kritiker warnen vor einer Stigmatisierung von Behinderten. Im Blut von schwangeren Frauen finden sich Teile der Erbinformation des Embryos. Das macht sich der neuartige Test zunutze.
Im Labor werden die DNA-Fragmente des Ungeborenen analysiert und auf Hinweise einer Chromosomen-Veränderung abgesucht. Beim Down-Syndrom liegt das Chromosom 21 drei- statt zweimal vor. Der Test kann nach Unternehmensangaben die Trisomie "risikofrei" und "zuverlässig" erkennen. Das Verfahren, dessen Entwicklung vom Bund mit rund 230.000 Euro gefördert wurde, wird zunächst in rund 20 Praxen und Pränatalzentren in Deutschland angeboten und soll rund 1250 Euro kosten, wie Elke Decker, Sprecherin von LifeCodexx, betont.
Patientinnen müssen Kosten für Test selbst tragen
Die Summe müssen die Frauen selbst zahlen, der Test ist keine Kassenleistung. Der PraenaTest ist für Frauen ab der zwölften Schwangerschaftswoche gedacht, bei denen ein erhöhtes Risiko für Chromosomenveränderungen beim Embryo besteht. Zudem müssen sich die Frauen gemäß Gendiagnostikgesetz von einem qualifizierten Arzt beraten und aufklären lassen.
Der Test kommt zum Beispiel in Frage, wenn es beim Ersttrimester-Screening einen auffälligen Befund gibt. Dabei wird zwischen der zwölften und 14. Schwangerschaftswoche anhand eines speziellen Ultraschalls und von Blutwerten eine Wahrscheinlichkeit für Trisomie 21 berechnet.
Herkömmliche Diagnose-Methoden bergen Risiken
Meist erfolgt bislang eine Fruchtwasseruntersuchung oder eine Punktion des Mutterkuchens - der Eingriff durch die Bauchdecke kann allerdings zur Fehlgeburt führen. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Gynakologie und Geburtshilfe (DGGG) verlieren geschätzt zehn von 1000 Frauen infolge solch eines Eingriffs ihr gesundes Kind. LifeCodexx glaubt, dass der neue Test jährlich 600 bis 700 Kinder in Deutschland "vor den tödlichen Folgen eines invasiven Eingriffs" bewahren kann.
Auch Markus Stumm vom Berliner Zentrum für Pränataldiagnostik und Humangenetik betont, der Test könne langfristig zur deutlichen Reduzierung der Fehlgeburten beitragen.
90 Prozent aller Ungeborenen mit Trisomie 21 werden abgetrieben
Bestätigt sich allerdings der Verdacht auf eine Trisomie 21, dann steht die Frau immer noch vor der Frage, ob sie ein behindertes Kind zur Welt bringen will. Schon heute werden etwa 90 Prozent aller ungeborenen Kinder mit Trisomie 21 abgetrieben.
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), fürchtet, dass der Druck auf Paare, abzutreiben, mit dem Bluttest "noch steigen" wird. Der Test sei nicht nur "im hohen Maße diskriminierend", sondern diene "einzig und allein der Selektion von Menschen mit Down-Syndrom".
Über 50.000 Menschen in Deutschland leben mit dem Down-Syndrom
Auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe und die Down-Syndrom-Organisationen in Deutschland kritisieren, der Tests stelle das Lebensrecht von Menschen mit Down-Syndrom in Frage. Ein Leben mit Trisomie 21 könne "so glücklich und erfolgreich sein, wie jedes andere auch", heißt es in einer Erklärung.
Derzeit leben in Deutschland 50.000 Menschen mit Down-Syndrom, das zu Organfehlbildungen wie Herzfehlern oder Darmstörungen führen kann. Der Grad der geistigen Behinderung kann sehr unterschiedlich ausfallen.
"Kein ethischer Dammbruch"
Die DGGG sieht in dem Test "keinen ethischen Dammbruch", auch sei keine sprunghafte Zunahme von Schwangerschaftskonflikten zu befürchten. Für Aufsehen sorgte indes, dass es Forschern nun auch gelungen ist, das gesamte Genom eines Fötus durch Blut- und Speichelproben der Eltern zu entschlüsseln.
Aufgrund der vielen offenen Fragen soll der Deutsche Ethikrat nun im Auftrag der Bundesregierung eine Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik erarbeiten. (AFP)