Gütersloh. . Kindern in Deutschland wird oft viel zu vorschnell Antibiotika verschrieben. Häufig sind diese gar nicht angebracht und erhöhen unnötig die Bildung resistenter Keime. Wie schnell ein Kind Antibiotika verschrieben bekommt hängt aber auch davon ab, in welcher Region Deutschlands es lebt. Eine neue Studie stellte nun deutliche regionale Unterschiede in der Verschreibungspraxis fest.
Kindern in Deutschland werden einer Studie zufolge oft zu rasch Antibiotika verschrieben. Jedes zweite Kind im Alter zwischen drei und sechs Jahren (51 Prozent) habe 2009 ein solches Medikament erhalten, ergab der am Mittwoch veröffentlichte "Faktencheck Gesundheit", den die Universität Bremen im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh durchführte. Dabei gab es große regionale Unterschiede: So erhielten Kinder im Nordosten Deutschlands doppelt so häufig Antibiotika wie Kinder in Süddeutschland.
Antibiotika um Eltern zu beruhigen
Besonders oft werden Antibiotika der Untersuchung zufolge bei akuter Mittelohrentzündung, fiebriger Erkältung und Grippe eingesetzt. In vielen Fällen könne man allerdings auf die Einnahme dieser Arzneimittel verzichten, sagte der Studienleiter, Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Bremer Universität, im ARD-"Morgenmagazin". Denn es handele sich häufig um Virusinfekte - Antibiotika wirken aber in der Regel nur gegen Bakterien. Oft verschrieben Ärzte Kindern Antibiotika, um die Eltern zu beruhigen, erklärte Glaeske.
Den Zahlen zufolge, denen Versichertendaten der Krankenkasse Barmer GEK zugrundeliegen, werden Kindern deutlich mehr Antibiotika verordnet als Erwachsenen. So erhielten 2009 33 Prozent der Erwachsenen ein Antibiotikum, bei Kindern und Jugendlichen zwischen null und 18 Jahren waren es 38 Prozent. Am häufigsten wurden Antibiotika in Sachsen-Anhalt, im Saarland und in Thüringen verschrieben, am seltensten in Schleswig-Holstein, Bremen und Baden-Württemberg. Allerdings wurden auch innerhalb einzelner Bundesländer große Unterschiede registriert.
Unnötige Einnahme erhöht Gefahr von Resistenz
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Laut der Studie unterscheiden sich die Verschreibungen von Antibiotika auch zwischen den Facharztgruppen erheblich. "Bei nicht eitrigen Mittelohrentzündungen, bei denen Antibiotika laut Leitlinien nur in Ausnahmefällen angezeigt sind, verordneten 33 Prozent der Hausärzte Antibiotika, aber nur 17 Prozent der Kinderärzte und 9 Prozent der HNO-Ärzte. Bei Lungenentzündung, wo die Verordnung von Antibiotika angezeigt ist, waren es 80 Prozent der Kinderärzte, aber nur 66 Prozent der Hausärzte", erklärte Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann-Stiftung.
Bei zu häufiger und unnötiger Einnahme von Antibiotika besteht die Gefahr, dass die Mittel keine Wirkung mehr zeigen, wenn sie wirklich notwendig sind. Bereits jetzt stellen gegen Antibiotika resistente, bakterielle Erreger in Krankenhäusern ein großes Problem dar. (dapd)