Essen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner(CSU) ist besorgt wegen der Tierkrankheit Schmallenberg-Virus, die immer mehr Bauernhöfe betrifft. Im Interview äußert sie sich auch über Antibiotika in der Tiermast, Lebensmittelverschwendung und ein neues Projekt: ein bundesweites Verbrauchertelefon.

Frau Aigner, viele Verbraucher sind verunsichert, wenn sie hören, dass in der Tiermast flächendeckend Antibiotika eingesetzt werden. Müssen wir uns Sorgen machen - und weniger Hähnchen essen?

Ilse Aigner: Bei der Lebensmittelsicherheit darf es keine Kompromisse geben. In der aktuellen Diskussion geht es um das Risiko der Resistenzentwicklung bei gesundheitsgefährdenden Bakterien - und dieses Problem gehen wir an. Der Antibiotika-Einsatz in der Human- und Tiermedizin muss auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Aber wie?

Aigner: Zwar haben wir bereits strikte Vorschriften: Antibiotika dürfen in der Tierhaltung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen verabreicht werden - keinesfalls zur Wachstumsförderung. Aber ich will das Arzneimittelrecht noch weiter verschärfen - bis dahin, dass die zuständigen Kontrollbehörden vor Ort bestimmten Betrieben mit übermäßigem Antibiotika-Einsatz klare Vorgaben zur Reduzierung machen können.

Einigen Ländern geht das nicht weit genug. NRW-Landwirtschaftsminister Remmel sagt, Sie kümmerten sich nicht ausreichend...

Aigner: . . . Remmel redet viel und tut nichts. Ständig versteckt er sich hinter dem Bund. Als Landesminister ist er für die Kontrollen zuständig - und dafür hat er bereits die rechtlichen Möglichkeiten: Seine Leute können in die Betriebe gehen und zu den Tierärzten, sie können alle Bücher einsehen und alles rauf und runter kontrollieren – denn es gibt ja längst umfangreiche Dokumentationspflichten. Aber die besten Gesetze helfen nicht, wenn die Einhaltung nicht überwacht wird – und dafür sind die Länder zuständig. Sie müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Herr Remmel sollte endlich seine Hausaufgaben machen und Verantwortung übernehmen.

Eine neue Tierseuche grassiert. Wie bedrohlich ist das Schmallenberg-Virus?

Aigner: Wir nehmen die Situation sehr ernst, können die Dimension aber nur schwer abschätzen. In Deutschland sind bereits alle Flächenländer betroffen, auch aus dem Ausland werden immer neue Fälle gemeldet. Unsere Wissenschaftler rechnen damit, dass die Zahl betroffener Bestände weiter steigen wird. Bisher wurden Tot- und Missgeburten vor allem aus Schafherden gemeldet. Es ist aber zu befürchten, dass in den kommenden Wochen auch viele Rinderbestände betroffen sein könnten. Viele Bauern kommen dadurch in eine schwierige Lage. Wir werden die Landwirte nicht im Regen stehen lassen. Mein Haus prüft derzeit Hilfsmöglichkeiten.

Kann das Virus für den Menschen gefährlich werden?

Aigner: Nach einer Risikobewertung der europäischen Infektionsschutzbehörde ECDC stellt dieses Virus keine Gefahr für den Menschen dar. Zum Schutz der Tierbestände setzen die Fachleute von Bund und Ländern alles daran, die Entwicklung eines massentauglichen Antikörpertests und eines Impfstoffs voranzutreiben.

Wie weit sind Ihre Bemühungen, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen?

Aigner: Ich habe bereits mit Verbraucherverbänden, Handel und Herstellern gesprochen. Wir sind uns einig: Wir wollen gemeinsam werben - für mehr Wertschätzung und einen sorgsameren Umgang mit Lebensmitteln. Wir wollen gemeinsam unsere Aktivitäten verstärken und die Verbraucher besser informieren - auch über die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums. Da gibt es das Missverständnis, es handele sich um ein Verfallsdatum. Dabei ist das MHD nur ein Orientierungswert. Viele Lebensmittel sind nach Ablauf des MHD noch tagelang bestens genießbar.

Ein bundesweites, zentrales Verbrauchertelefon könnte helfen - das war mal geplant, kommt es noch?

Aigner: Das Verbrauchertelefon mit Lotsenfunktion kommt. Es befindet sich in der Aufbauphase. Wir haben durch den Anschluss an die einheitliche Behördennummer 115 aber schon viel erreicht. Diesen Service können die Bürger bereits nutzen.

Themenwechsel: Sie machen sich für Datenschutz im Internet stark. Wie nutzen Sie selbst das Internet?

Aigner: Das Internet ist ein faszinierendes Medium - ich könnte mir eine Welt ohne Internet gar nicht mehr vorstellen. Ich bin eigentlich stündlich im Netz. Mir ist wichtig, dass man sich sicher und frei im Internet bewegen kann. Es gibt große, weltumspannende Konzerne, die über mehr Daten verfügen als jeder Staat. Deshalb habe ich mich als Ministerin eingeschaltet, denn es geht um Verbraucherschutz. Die EU-Kommission will den Datenschutz im Internet verbessern.

Sie waren mit der Kommission im Gespräch - reichen Ihnen deren Vorschläge jetzt?

Aigner: Im Prinzip bin ich sehr zufrieden. Wir brauchen eine europaweite Lösung, das Internet macht ja nicht an deutschen Grenzen halt. Der erste Vorschlag der Kommission, der auf dem Tisch liegt, bewegt sich weitgehend auf dem hohen deutschen Niveau. Ich habe einzelne Kritikpunkte - insgesamt aber sehe ich die Chance, den Schutz persönlicher Daten im Netz deutlich zu verbessern.

Was bedeutet es, wenn Facebook jetzt zeitgleich seine Kunden verpflichten will, in der „Timeline“ Lebensdaten online zu stellen?

Aigner: Facebook appelliert an die Nutzer, so viele Fotos und Daten wie möglich ins Netz zu stellen. Vielleicht kommt der Start von „Timeline“ nicht zufällig kurz vor dem Börsengang? Klar - Facebook macht die Daten der Nutzer zu Geld. Ich sage den Verbrauchern: Seid sparsam mit Euren Daten! Was einmal im Netz steht, lässt sich kaum noch zurückholen.