Essen. Die Augengrippe grassiert seit Wochen in NRW. Die Krankheit ist hoch ansteckend, doch Medikamente helfen nicht. Die Patienten müssen sich auf mehrere leidvolle Wochen einstellen, wie ein Betroffener berichtet.

Jochen Brode hat qualvolle drei Wochen hinter sich. Die Keratokonjunktivitis – landläufig auch als Augengrippe bezeichnet – hatte den Lippstädter erwischt. „Diese Krankheit wünscht man wirklich nur wenigen“, sagt er.

Einen Tag vor Silvester begann sein rechtes Auge zu tränen. Der Apotheker schickte ihn umgehend zum Arzt. Die Diagnose war eindeutig: „Herzlichen Glückwunsch, Sie haben Augengrippe!“ Der Arzt stimmte Jochen Brode auf harte Wochen ein, die vor ihm liegen würden.

Drei Tage nach dem rechten Auge war auch das linke gerötet. Tag für Tag wurde es schlimmer. Die Augen juckten, brannten, tränten. Es fühlte sich an, wie, wenn man einen Fremdkörper im Auge hat, berichtet Jochen Brode. Nach Meinung von Medizinern ein typischer Verlauf der Krankheit.

Auch die Lichtempfindlichkeit nahm stark zu. Über Nacht verklebten die Augen, am Morgen konnte er sie nur mit Mühe öffnen. Medikamente brachten lediglich etwas Linderung. Weil die Augengrippe von Viren – den Adenoviren – hervorgerufen wird, helfen auch keine Antibiotika. Es bleibt nur: abwarten, bis es besser wird.

Erst nach zehn Tagen Höhepunkt der Augengrippe erreicht

Jürgen Brodes stark gerötete Augen während der Augengrippe. Foto: privat
Jürgen Brodes stark gerötete Augen während der Augengrippe. Foto: privat

Nach zehn Tagen war der Höhepunkt der Krankheit erreicht. Das Öffnen der Augen tat weh, aber auch das Schließen. Jochen Brode verbrachte einige fast schlaflose Nächte: „Ich bin vom Schmerz immer wieder aufgewacht.“ In dieser Phase konnte er drei bis vier Tage nicht Fernsehen, Lesen war unmöglich. „Da habe ich Hörbücher gehört.“

Auch das Haus verlassen durfte er nicht. „Mein Arzt riet mir zur strengsten Isolation.“ Denn die Viren sind hoch ansteckend. Einige Freunde besuchten ihn dennoch, und auch seine Freundin blieb im Haus. „Wir haben auf’s Schärfste die Hygieneregeln befolgt.“ Das heißt: häufiges Händewaschen und die Verwendung von so genannten viruziden Desinfektionsmitteln, also solche, die gegen Viren helfen. Mit Erfolg: Weder Freundin noch Freunde von Jochen Brode haben sich angesteckt.

Nach zwei Wochen klangen die Symptome langsam ab, nach drei konnte Jochen Brode wieder arbeiten gehen. Ärzte gehen bei der Augengrippe in der Regel von zwei bis vier Wochen Krankheitsverlauf aus.

Doch der Lippstädter wird noch eine längere Zeit mit den Folgen der Krankheit zu kämpfen haben. Die Bindehaut sei sehr trocken und es seien Narben auf dem Auge zurückgeblieben, die beim Sehen kleine verschwommene Punkte hinterlassen.

Augengrippe-Virus ist hoch ansteckend und widerstandsfähig

Wo er sich angesteckt hat, weiß Jochen Brode nicht. Niemand in seinem Umfeld war erkrankt. Es kann überall passiert sein: Das Virus wird vor allem durch Schmierinfektion übertragen. Es kann auf Türklinken, Handläufen, Wasserarmaturen, Handtücher etc. lauern. Es gilt als sehr widerstandsfähig und kann Tage bis Wochen auf Flächen infektiös bleiben. Die Inkubationszeit, also die Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch, beträgt fünf bis zwölf Tage.

Jochen Brode ist kein Einzelfall. Die Augengrippe grassiert seit Wochen in NRW – doch diesen Winter gibt es viel mehr Fälle als die Jahre zuvor, wie Kirsten Bradt vom Landeszentrum Gesundheit bestätigt. Möglicherweise sei das milde Wetter daran schuld. Seit Ende November 2011 wurden der Behörde rund 300 Fälle gemeldet. Doch die Zahl der tatsächlich Erkrankten dürfte sehr viel höher liegen - drei bis fünf Mal so hoch – schätzt Kirsten Bradt. Denn häufig werde die Krankheit nur vom Arzt diagnostiziert, aber nicht von einem Labor untersucht. Doch nur die vom Labor bestätigten Fälle sind meldepflichtig.

Diesen Winter besonders viele Fälle von Augengrippe

Vor allem im Ruhrgebiet, im Sauer- und Siegerland sowie Ostwestfalen-Lippe ging die Augengrippe um. Nach den aktuellen Zahlen des Landeszentrums Gesundheit sind derzeit Hagen, Oberhausen und Krefeld noch betroffen. Aber die gemeldeten Fälle gehen in ganz NRW seit Jahresbeginn stark zurück.

Entwarnung mag Kirsten Bradt aber noch nicht geben. Gerade steigen im Nachbarbundesland Niedersachsen die Fallzahlen der Augengrippe an. „Man weiß nicht, ob die Welle noch mal zurückkommt“, sagt sie.