München. Nach dem Skandal um die Silikonimplantate der Firma PIP ist vor dem Landgericht Karlsruhe die erste Klage in Deutschland eingereicht worden. Cornelia Freitag hatte sich die Implantate nach einer missglückten Bruststraffung im Jahr 2003 einsetzen lassen. Sie hofft nun auf 100.000 Euro Schmerzensgeld.
Wenn Cornelia Freitag in den vergangenen Jahren bewundernde Blicke für ihr straffes Dekolletée bekam, machte sie eine abwehrende Handbewegung. "Auf Garantie" habe sie dann immer gesagt, erzählt die 44-Jährige. Auf Garantie, weil sie 2003 eigentlich gar keine Silikonimplantate wollte. Doch nach einer missglückten Bruststraffung erließ ihr der Schönheitschirurg die Kosten für die folgende Operation. Nur die Silikonkissen für 1000 Euro musste sie selbst zahlen.
Heute verflucht Freitag die Operation. Wie sie seit wenigen Tagen weiß, trägt sie Skandal-Implantate. Die aus dem nordrhein-westfälischen Ennepetal stammende Freitag setzt sich nun mit Hilfe von Rechtsanwälten zur Wehr. Sie ist eine von mehr als 20 Frauen, die sich bisher an die Münchner Patientenanwalt AG gewandt haben. Deren Vertreter, Rechtsanwalt Michael Graf, reichte am Montag vor dem Landgericht Karlsruhe die erste Klage in Deutschland ein.
100.000 Euro will Graf für seine Mandantin einklagen, für Schmerzensgeld und für die Absicherung von Zukunftsschäden durch womöglich bereits in den Körper geratene Schadstoffe. Cornelia Freitag allerdings ist nicht die Klägerin. Wie der Großteil der in der Anwaltskanzlei gemeldeten Frauen verfügt sie nicht über eine Rechtsschutzversicherung.
Implantate der niederländischen Marke Rofil
Nur sieben der Frauen haben solch eine Versicherung, für diese wollen die Anwälte den nach ihrer eigenen Einschätzung womöglich drei bis fünf Jahre dauernden, kostspieligen Klageweg einschlagen. Für die übrigen Frauen wollen die Anwälte eine außergerichtliche Einigung anstreben. Für Freitag ist das die einzige Chance. Die im Vertriebsinnendienst arbeitende alleinerziehende Mutter einer 14-jährigen Tochter sagt: "Ich hab gar nicht die finanziellen Mittel, mir das entfernen zu lassen". Auch mag sie sich gar nicht erst vorstellen, wie ihre zuletzt so bewunderten Brüste nach der Entfernung aussehen.
Dass sie eine Betroffene ist, weiß sie erst seit Mitte diesen Monats. Ihre Implantate kamen nicht von der französischen Skandalfirma PIP, sondern von der baugleichen niederländischen Marke Rofil - weil diese zunächst nicht im Gerede war, machte sich Freitag keine Gedanken. Die Tage seit der Information durch den Schönheitschirurgen seien extrem belastend, berichtet Freitag. Zu ihrem Schönheitschirurgen will sie nicht noch einmal gehen. Der Operateur habe ihr damals besonders teure Silikonkissen empfohlen, weil diese nicht reißen würden. Ihre Implantate sind tatsächlich nicht gerissen.
Doch nach dem Skandal um das Industrie-Silikon fürchtet sie nun Krebs zu bekommen - etwa durch Ausdünstungen des Silikon. Freitag ist stark verunsichert - vermutlich so wie derzeit viele der nach Schätzungen bis zu 10.000 Frauen in Deutschland, die die Skandal-Implantate in sich tragen.
Krankenkassen wollen Frauen entgegen kommen
Zur Verunsicherung trägt auch bei, dass die Kostenübernahme einer Entfernung ungeklärt ist. Die gesetzlichen Krankenkassen sehen sich nicht alleine in der Pflicht. Deren Spitzenverband GKV wies zuletzt darauf hin, dass der Gesetzgeber bei reinen Schönheitsoperationen die Krankenkassen sogar verpflichtet hat, die Frauen an den Kosten zu beteiligen. Allerdings sagt ein GKV-Sprecher auch, dass die Kassen den Frauen in diesem Fall entgegenkommen wollten, da sie keine Schuld hätten. Doch wie dieses Entgegenkommen aussieht, werde von jeder Kasse einzeln entschieden.
Die Münchner Kanzlei verklagte nun die behandelnden Ärzte und Kliniken, weil diese die Patientinnen nicht ausreichend aufgeklärt hätten. Außerdem den TÜV Rheinland, weil dieser bei der Zertifizierung der Silikonkissen seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Und schließlich den Chemikalienhändler Brenntag, der PIP das Industrie-Silikon lieferte. PIP wurde allerdings nicht verklagt - die Firma ist pleite. (afp)