Essen. . Irene Pergher trägt potenziell schädliche Brustimplantate der Firma PIP. Ende der 1980er-Jahre ließ sie sich nach einer Brustkrebs-OP Silikonimplantate einsetzen, vor zwei Jahren wurden diese gegen die PIP-Kissen ausgetauscht. Von ihren Ärzten fühlt sich die 65-jährige Essenerin im Stich gelassen.

Positiv denkende Menschen haben es leichter. Sie schlafen meist besser, lassen die Dinge entspannt auf sich zukommen. Irene Pergher ist so ein Typ. Aus Überzeugung optimistisch. Und doch möchte man gerade jetzt nicht mit ihr tauschen. Im Januar 2010, gut zwei Monate, bevor die gefährlichen PIP-Brustimplantate vom Markt genommen wurden, bekam die Essenerin eben diese eingesetzt. Nun weiß sie: Die Dinger müssen raus. Möglichst bald!

Klein und sehr zierlich sitzt sie in einem Essener Café. Mit ihrem engen Top und der schwarzen Jeans wirkt sie nicht wie eine Frau von 65 Jahren. Irene Pergher ist eine von wohl mehreren Tausend Frauen in Deutschland, die in diesen Tagen erfahren haben, dass ihre Brustimplantate mit industriellem Silikon gefüllt sind. „Tickende Zeitbomben im eigenen Körper“, sagen manche. Viele schweigen, leiden still vor sich hin, Irene Pergher jedoch spricht offen über ihre Angst, ja, ihre Wut.

An diesen 10. Juni 1987 kann sie sich erinnern, als wäre es heute. „Tut mir leid, ich habe eine schlechte Nachricht für Sie . . .“ begann die Ärztin das Gespräch. Irene Pergher, damals 40 Jahre, Mutter zweier fast erwachsener Töchter, hatte das Gefühl, von jetzt auf nun „umzukippen“. Einige Tage zuvor war sie an der Brust operiert worden. Aber weder sie noch die Ärzte hatten damit gerechnet, dass dieser erbsengroße Knoten tatsächlich Krebs sein würde. Nun riet ihr die Ärztin zur Amputation der Brust – und zu Valium, damit sie sich erst einmal beruhige.

Die ersten Implantatehielten 23 Jahre

Irene Pergher ließ sich kein Valium geben, wollte klaren Kopf bewahren. Statt sich wie empfohlen zwei Tage später die Brust komplett wegoperieren zu lassen, machte sie sich auf den Weg von einer Klinik zur nächsten, suchte zweite und dritte Meinungen. Sie landete im Uniklinikum Münster, wo die Chirurgen bereits brusterhaltend arbeiteten.

Auch das war alles andere als ein Vergnügen, aber Irene Pergher am Ende zufrieden. „Mir wurde das Gewebe beider Brüste entfernt. Aber ich bin recht gut damit fertig geworden. Ich bin pragmatisch, versuche aus jeder Situation das Beste zu machen.“

23 Jahre hielten ihre ersten Implantate. Eine unglaublich lange Zeit angesichts der durchschnittlichen Haltbarkeitsdauer, die in diesen Tagen für die Gel-Einlagen genannt wird. Im September 2009 jedoch wurde ein Riss im rechten Implantat festgestellt, im Januar 2010 ließ sich Irene Pergher operieren. In der Essener Uniklinik, wo sie in den letzten Jahren auch die Kon­trollen durchführen ließ.

Die alten Implantate raus, neue rein. „Nach der guten Erfahrung mit den ersten war ich fest davon überzeugt: Die nehm ich mit ins Grab!“, sagt Pergher. Doch es sollte anders kommen. Im April 2010, keine drei Monate nach der OP, liest Perghers Tochter in der Zeitung, dass die aus Frankreich stammenden Implantate auch in Deutschland vom Markt genommen werden. „Mama, mit Deinen Implantaten ist was nicht in Ordnung!“

Ein Schock war das. Wieder sucht Irene Pergher Hilfe, doch selbst ihr Operateur in der Uniklinik scheint ratlos, betont, auch nicht mehr als sie zu wissen. „Es muss ja nicht mich treffen. Vielleicht habe ich Glück, und meine Implantate bleiben dicht“, macht sie sich Mut. Sie entscheidet, sich nicht verrückt machen zu lassen. Und wer mit Irene Pergher vor einer Woche sprach, der bekam zu hören: „Ich will keine weitere Operation. Ich habe Angst vor der Narkose!“

Die Hiobsbotschaften häufen sich

Seit vergangenem Wochenende sieht sie es anders. Da häufen sich die Hiobsbotschaften, da heißt es, selbst intakte Implantate schwitzten das Industrie-Silikon in das umgebende Gewebe. Ärzte raten zur Entfernung der Billig-Einlagen. Nun sagt Irene Pergher: „Ich finde es furchtbar, aber ich komme wohl um eine Operation nicht herum!“

Noch eine also. Noch mal alles raus, neues Silikon rein. Wieder hat sie sich schlau gemacht, hat sich von einer befreundeten Chirurgin die Namen dreier bewährter Implantate nennen lassen. Die und nichts anderes! Dass sie von der Universitätsklinik Essen über PIP nie informiert, nie angeschrieben wurde, das ärgert die frühere Mitarbeiterin einer Versicherung sehr. Was sie aber gar nicht verstehen kann, ist, wie die Zulassung von Medizinprodukten in Deutschland gehändelt wird: „Gerade in diesem Land, wo doch jeder Lachs vor Weihnachten ins Labor gegeben wird. Doch die Sachen, die in unseren Körper eingesetzt werden, prüft der TÜV nur anhand von Dokumenten! Unglaublich.“