Berlin. . Die schwarz-gelbe Bundesregierung will die Pflegeversicherung reformieren. Die Definition der neuen Bedarfsgrade dürfte Milliarden Euro verschlingen. Und die Finanzierung der Pflege ist ungewiss.

Schon 2011 sollte das Jahr der Pflege werden. Nun hat die Koalition einen ersten Schritt bei der Pflegereform geschafft: Demenzkranke sollen ab 2013 mehr Geld bekommen, wenn sie zu Hause gepflegt werden. Doch viele weitere Baustellen sind offen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten..

Bekommen Demenzkranke nun endlich die finanzielle Hilfe, die sie bräuchten?

Auf dem Papier erhalten Betroffene mehr Geld. Dies wird oft nicht ausreichen. Aus zwei Gründen: Nach wie vor richtet sich die Einordnung in Pflegestufen an körperlichen Gebrechen aus. Doch viele der 1,2 Millionen Demenzkranken sind körperlich fit und daher in Pflegestufe null. Dennoch brauchen sie Betreuung. Eine Änderung der Pflegestufen nimmt das Gesetz nicht in Angriff. Dies soll erst kommen mit der Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs.

Wer in Pflegestufe null ist, dem stehen künftig 120 Euro im Monat als Pflegegeld oder 225 Euro als Pflegesachleistung zu. Harry Fuchs vom Landespflegeausschuss NRW geht davon aus, dass 30 Prozent der Betroffenen davon nicht profitieren, weil sie Sozialhilfe erhalten. „Wenn sie mehr Geld für die Pflege bekommen, dann wird dies mit der Sozialhilfe verrechnet“, sagt Fuchs. „Dann sehen sie nichts zusätzlich.“


Wann kommt der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff?

Das könnte noch Jahre dauern. Der Begriff soll definieren, in welche Pflegestufe künftig ein Patient mit welchen Gebrechen kommt. Ein Expertenbeirat, beauftragt von Union und SPD, hat 2009 ein Konzept vorgelegt. Er hat vorgeschlagen, die drei Pflegestufen durch Bedarfsgrade zu ersetzen. Diese sollten sich daran orientieren, wie selbstständig man ist. Doch die Vorschläge sind untergegangen.

Nun hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den Beirat wieder berufen. Er soll im Februar mit der Arbeit beginnen. Eine Schlappe hat Bahr erlitten, da der Vorsitzende Jürgen Gohde unlängst die Brocken hingeworfen hat. Er vermisste eine klare Finanzierung und den politischen Willen der Koalition, die Pflegereform umzusetzen.

Ist die Pflege solide finanziert?

Nein. Die Beitragserhöhung um 0,1 Prozentpunkte ab 2013 bringt 1,1 Milliarden Euro extra. Die sind verplant für die aktuelle Reform. „Wir haben Sorgen, dass die Reform mehr kostet, als das, was zusätzlich eingenommen wird“, sagt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. Wenn das so ist, sind die Finanzreserven der Pflegekassen in Gefahr, die 2010 mehr als fünf Milliarden Euro betrugen.

Zudem wird der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff weitere Milliarden verschlingen. Darüber hinaus wird die Pflege immer teurer, weil die Zahl der Hilfsbedürftigen steigt: von derzeit 2,34 Millionen auf voraussichtlich 3,4 Millionen Menschen in 2030. Dazu will die Koalition die private Pflegevorsorge fördern. Das Finanzministerium arbeitet an Modellen, die bis März stehen müssen, weil dann die Eckpunkte des Haushaltes 2013 beschlossen werden. Möglich wäre eine Steuerentlastung oder ein direkter Zuschuss zur Zusatzversicherung. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will dafür angeblich maximal 500 Millionen Euro bereitstellen. Fraglich ist – trotz Anreizen –, wie sich ärmere Personen den „Pflege-Bahr“ leisten können. Fuchs geht davon aus, dass bis zu 60 Prozent der Bürger dazu gar nicht in der Lage sein werden. Grüne, SPD und Linke setzen stattdessen auf die Einführung einer Bürgerversicherung.


Profitieren die stationär versorgten Demenzkranken von der jetzigen Reform?

Kaum. Zahnärzte sollen häufiger in die Heime kommen. Aber die Pflegesätze für Demenzkranke steigen nicht. So besteht die Gefahr, dass immer mehr von den knapp 720 000 Betroffenen zu Sozialhilfefällen werden, was die Kommunen weiter belastet.