Schalksmühle. Vertreter überredeten eine Familie aus Schalksmühle zum Kauf einer Sammlung von Brockhaus-Lexika. Es ging ja um die Bildung der Kinder. Doch die Unterschrift war folgenschwer: Die Familie muss nun insgesamt rund 8000 Euro abstottern. Und: Aus dem Vertrag kommt sie nur schwer wieder heraus.

Das Wohl ihrer Kinder ist unserer Leserfamilie Sanders aus Schalksmühle viel wert. Darum ließ sich Gesa Sanders 2009 auch zu einer folgenschweren Unterschrift hinreißen. Sie bestellte bei der Tochter inmediaOne des Bertelsmann-Verlages 18 Bände des Lexikons Brockhaus und die Zugangsberechtigung zu einer Wissensdatenbank. Es hieß, dass Eltern in Sorge seien wegen des Lernverlaufs ihrer Kinder, erinnert sich Gesa Sanders. Um den beiden Söhnen die besten Voraussetzungen für eine gute Ausbildung mit auf den Weg zu geben, ließ sie sich überzeugen. Bei der vereinbarten Monatsrate von 36 Euro erschien der Aufwand erträglich. 2752 Euro kostet dies insgesamt.

Ein Jahr später kamen erneut Vertreter zu Besuch. „Sie hatten jede Menge Material dabei“, erinnert sie sich. Und sie redeten gewandt von den Vorteilen einer weiteren Bestellung. Überzeugend war schließlich die Zusage, dass die Kinder sich für Referate oder andere Schularbeiten bei einer Service-Hotline melden könnten. Experten würden dann innerhalb von 24 Stunden Infopakete und Bildmaterial zum Thema bereitstellen. Dazu gebe es weitere 30 Lexika. Die angebotene Rate für beides zusammen war mit 108 Euro im Monat immer noch erträglich. Schließlich ging es um die Bildung der Kinder. Was der Kauf tatsächlich kostet, war der Familie nach eigenen Worten nicht bekannt. „Von der Gesamtsumme ist nie die Rede gewesen“, sagt Frau Sanders. Die steht aber im Vertrag. 5267 Euro für die zweite Bestellung. Zusammen mit der ersten muss die Familie somit über 8000 Euro abstottern.

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Beim Zinssatz für die Raten langte Bertelsmann mit 10,9 Prozent ebenfalls kräftig zu. Dabei blieben die Lexika unbenutzt im Regal liegen. Und der Expertenservice, sagt Sanders, habe sich als unqualifiziert erwiesen. Eigentlich ging sie davon aus, dass die Zahlungen in diesem Oktober enden. Da aber hat sie den Kaufvertrag falsch interpretiert: Nur einige Leistungen enden, die Forderungen aber laufen weiter. Jetzt muss die Familie noch Jahre lang für den Fehlkauf bezahlen. Sie fühlt sich über den Tisch gezogen, und würde gerne wieder aussteigen.

Über Gutscheine in der Grundschule Adressen erhalten

Doch der Bertelsmann-Konzern sieht dafür keinen Grund. „Die Verträge sind nach allen Unterlagen, die uns vorliegen, rechtmäßig abgeschlossen und die Lieferung der Produkte ist vereinbarungsgemäß gelaufen“, teilt der Konzern auf Anfrage der Redaktion mit. Auch den hohen Zinssatz von fast elf Prozent für den Ratenvertrag will das Unternehmen nicht in Zweifel ziehen. Allerdings bietet Bertelsmann der Familie an, „etwa über die Modalitäten der Zahlungen ins Gespräch zu kommen.“ So könnte die monatliche Belastung womöglich verringert werden.

An die Adresse der Sanders und auch vieler anderer Kunden sind die Vertreter durch einen geschickten Marketingschachzug gekommen. Die Vertriebstochter verteilte über Schulen Gutscheine für einen Schülerduden. Beim Einlösen wird die Adresse eingetragen. Das ist völlig legal, wie das Schulministerium bestätigt. Sofern ein Sponsoring durch Unternehmen mit dem Bildungsauftrag vereinbar sei, dürften Schulleiter derlei Angebote annehmen, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Bertelsmann nutzt die so gewonnenen Daten und schickt Vertreter zu den Familien.

Eine kleine Hoffnung bleibt

In den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte über unseriöse Vertreter des Unternehmens, die Kunden trickreich teure Büchersammlungen aufschwatzten. Auf die Kritik daran hat der Konzern reagiert. Es seien eine Reihe von Qualitätssicherungsmaßnahmen umgesetzt worden. Auch die Gutschein-Aktionen an den Schulen wurden eingestellt. Die umstrittene Vertriebstochter inmediaOne wird im kommenden Jahr ganz dicht gemacht.

Einen Lichtblick gibt es immerhin. In der Vereinbarung der Sanders gibt es eine Widerrufsbelehrung. Lange Zeit hat inmediaOne mit einer zu verkürzten Darstellung gearbeitet. Auf ein entsprechendes Gerichtsurteil hin konnten alle bis 2008 abgeschlossenen Verträge angefochten werden. Die Formulierung in diesem Fall weicht kaum von der gerichtlich beanstandeten ab. „Mir erscheint sie zu kurz“, sagt die Expertin der Verbraucherzentrale NRW, Iwona Husemann. Man könnte noch einmal probieren, die Widerrufsbelehrung anzufechten. Ein Restrisiko einer Niederlage vor Gericht bestehe aber. Damit hat Gesa Sanders noch einmal Hoffnung geschöpft. Sie erwägt eine Klage, um aus dem teuren Vertrag wieder herauszukommen.

Widerrufsfrist gilt zwei Wochen

Vorsicht bei Haustürgeschäften. „Man sollte sich auf keinen Fall zu einer Unterschrift drängen lassen“, rät Iwona Husemann von der Verbraucherzentrale. Ist der Vertrag besiegelt, gilt eine zweiwöchige Widerrufsfrist. Bis dahin kann der Käufer ohne Schaden wieder aussteigen.