Rees. . Ein 25-Jähriger aus Rees erhebt schwere Vorwürfe gegen den Discounter Netto. Eine Woche vor der Abschlussprüfung habe er gehen müssen. Er berichtet von Mobbing und Ausbeutung. Der Vorwurf, er habe Stornoartikel unterschlagen, sei haltlos. Netto weist die Vorwürfe zurück.

Eigentlich sollte er heute arbeiten. Und für seine mündliche Prüfung lernen, denn in gut einer Woche soll Deniz Akbulut seine Ausbildung zum Verkäufer abschließen. Stattdessen sitzt der 25-jährige Reeser zu Hause und versteht die Welt nicht mehr. Bis vergangener Woche hat Deniz Akbulut eine Lehre beim Lebensmitteldiscounter Netto gemacht. Doch dann habe die Marktleitung ihn vor die Tür gesetzt. „Ich soll Stornoartikel unterschlagen haben“, sagt Akbulut. Beweise habe man ihm nicht vorgelegt, sagt der junge Mann. „Vielmehr wurde ich genötigt, meine Kündigung zu unterschreiben.“

Doch von vorn: Im September 2011 hat Akbulut seine Ausbildung bei Netto begonnen. Zuvor war er rund ein Jahr als Aushilfe in der Reeser Filiale beschäftigt, „da war alles noch gut“, erinnert er sich. Während der zweijährigen Ausbildung habe sich das dann aber geändert. Die Kollegen hätten ihn zum Beispiel vor den Kunden bloßgestellt und seien ihm mitten im Gespräch über den Mund gefahren. „Ich stand da wie ein dummer Junge“, ärgert sich Akbulut noch heute. Hatte er einen Krankenschein, sei ihm „negative Arbeitszeit“ aufgeschrieben worden: Die krankheitsbedingten Fehlstunden habe er nach Feierabend abarbeiten und Regale putzen müssen. Er soll nach dem Unterricht in der Berufsschule widerrechtlich zum Arbeiten genötigt worden sein. Den freien Tag in der Woche, der ihm wegen der Samstags-Schichten eigentlich zustand, habe man ihm nicht gewährt.

Kunden Ware geschenkt?

Generell war Deniz Akbulut mit der Ausbildung nicht zufrieden: „Ich habe nichts gelernt außer zu putzen und zu kassieren“, sagt er. Buchführung und Bestellwesen? Fehlanzeige. Er hat bei der Industrie- und Handelskammer Rat gesucht. „Doch bevor die mir helfen konnten, kam von der Marktleitung die Retourkutsche“, meint der Reeser. Es war am vergangenen Mittwoch: Deniz Akbulut hatte wie immer um 6.30 Uhr den Dienst begonnen. Er saß an der Kasse. Um 10.30 Uhr kam die Pausenablösung, die Marktleitung habe ihn in den Aufenthaltsraum gerufen. Dort sei auch jemand von der Revision gewesen – „der hat sich vorgestellt mit ‘Ich bin die Privatpolizei von Netto’“, erinnert sich Deniz Akbulut.

Man habe ihm eine Liste mit Stornierungen vorgelegt. „Das ist eigentlich eine normale Sache“, sagt Akbulut. „Jeder Kassierer hat Stornierungen.“ Stornierungen gibt es zum Beispiel dann, wenn Kunden an der Kasse einen Artikel doch nicht mehr haben wollen, eine matschige Stelle am Apfel entdecken und ihn zurückgeben oder merken, dass sie zu wenig Geld dabei haben.

Der Vorwurf: Akbulut soll den Kunden die stornierten Artikel geschenkt oder sich selbst in die Tasche gesteckt haben. „Das stimmt aber nicht“, beteuert der 25-Jährige. Doch die Marktleitung soll ihm gedroht haben: Er soll kündigen und ein Schuldeingeständnis unterschreiben. Wenn er dies täte, könne er seine Abschlussprüfung antreten, unterschreibt er nicht, ist die Ausbildung futsch. Er habe Panik bekommen und unterschrieben.

Netto weist die Vorwürfe zurück

„Dann wollten die mich in ein Auto packen und sofort zum Notar fahren, um die Sache beglaubigen zu lassen.“ Per Handy rief Deniz Akbulut seinen besten Freund Sebastian Walter an. „Der kam sofort zum Notar und hat mich da weggeholt“, erzählt Akbulut dankbar. „Die ganze Angelegenheit ist nun beim Anwalt.“ Ein kleiner Erfolg: Die Abschlussprüfung in gut einer Woche kann der Reeser antreten. Was danach kommt? „Das wird sich zeigen.“

Und was sagt Netto zu den Vorwürfen? „Nach interner Prüfung können wir die geschilderten Vorwürfe nicht bestätigen“, heißt es von der Pressestelle. Der Auszubildende habe die Vorwürfe weder beim Vorgesetzten, noch beim Betriebsrat oder beim Ombudsmann vorgebracht, heißt es weiter. Das Arbeitsklima sei positiv, der Ausbildungsplan richte sich konsequent nach den Leitsätzen des Berufsbildungsgesetzes und den Vorgaben der IHK.