Moskau. Einst war er der beste Schachspieler der Welt, heute ist Garri Kasparow ein großer Kreml-Gegner. Der 50-jährige Jubilar kämpft für Menschenrechte und kritisiert IOC und FIFA, die Winterspiele 2014 und Fußball-WM 2018 nach Russland vergeben haben.

Aggressiv, dynamisch, unbeugsam - mit dieser kompromisslosen Spielweise hat Garri Kasparow seine Gegner vor nahezu unlösbare Probleme gestellt. Für zahlreiche Anhänger des königlichen Spiels gilt der ehemalige Schach-Weltmeister als König der Könige. Seine Spielstärke, gemessen in Elo-Zahl, wurde erst im vorigen Dezember vom norwegischen Jahrhunderttalent Magnus Carlsen übertroffen. Von seiner streitbaren Haltung hat Kasparow, der an diesem Samstag 50 Jahre alt wird, nichts eingebüßt.

So kampfeslustig wie früher am karierten Brett stürzt er sich heute in die russische Politik. Längst zählt der einstige Champion zu den prominentesten Vertretern der Opposition in Moskau. Zum Ziel gesetzt hat sich der gewiefte Stratege eine Demokratisierung des Riesenreichs ohne Präsident Wladimir Putin. "Er wird vor Gericht stehen - und deswegen kämpft er wie eine Ratte, die in die Ecke gedrängt wurde", sagte Kasparow einmal im dpa-Gespräch über den Kremlchef.

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Der am 13. April 1963 als Harry Weinstein in Baku (Aserbaidschan) geborene Kasparow sorgte in der schachverrückten Sowjetunion früh für Aufsehen. Der Sohn einer Armenierin und eines deutsch-jüdischen Vaters errang bereits mit 16 Jahren Titel und Medaillen. 1985 wurde der damals 22-Jährige in einem legendären Zweikampf gegen seinen Landsmann Anatoli Karpow im zweiten Anlauf jüngster Schachweltmeister der Geschichte. Zuvor war das erste WM-Duell der beiden Dauerrivalen nach 48 Partien ergebnislos abgebrochen worden.

Vision eines neuen Russland

Zwei Jahrzehnte lang führte das unbequeme Genie die Weltrangliste an. Immer wieder überwarf sich Kasparow mit den Verbandsfunktionären des Weltverbandes FIDE, die ihm 1993 den WM-Titel aberkannten. Der Rebell aus Baku gründete eine eigene Organisation (PCA), führte auf eigene Faust drei WM-Duelle durch, von denen er das letzte im Jahr 2000 gegen Wladimir Kramnik (Russland) verlor. Fünf Jahre später erklärte er überraschend seinen Rücktritt.

Seit seinem Abschied vom überschaubaren Schachbrett wirbt Kasparow unermüdlich für seine Vision eines neuen Russland mit Demokratie und Marktwirtschaft. "Schach ist ein königliches Spiel mit Regeln, die russische Politik ist eine Schlammschlacht ohne Regeln", meint der leidenschaftliche Mützenträger. Der Westen müsse aufhören, das System Putin als fair zu adeln. "Macht von mir aus eure Geschäfte mit Russland, aber haltet Putin nicht für einen Demokraten", betont er.

Geringe Zustimmung in der Bevölkerung

In der Bevölkerung ist die Zustimmung für den provokativen Prominenten laut Umfragen aber eher gering. Beobachter führen das auch auf den Umstand zurück, dass Kasparow von den russischen Staatsmedien - wie andere Oppositionspolitiker - ignoriert wird. Dafür wird er in der westlichen Welt hoch geschätzt. Das "Time Magazine" zählte Kasparow, der auch einen Wohnsitz in New York hat, 2007 zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt.

Das Schach-Geschehen verfolgt der Verfasser mehrerer Bücher weiter sehr aufmerksam. Er arbeitete als Trainer für ein Jahr mit Carlsen und begrüßte dessen Sieg beim WM-Kandidatenturnier vor zwei Wochen in London. "Die ganze Schachwelt hat etwas davon. Als Mitglied der Schachwelt auch ich. Magnus ist die Zukunft des Schachs. Er ist attraktiv für Sponsoren", urteilte Kasparow im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". (Wolfgang Jung und Peter Hübner/dpa)