Bochum/Dorsten. . Der Dorstener Sozialarbeiter M. (44) ist von der 3. Strafkammer des Bochumer Landgerichts freigesprochen worden. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren beantragt hatte. Anders als die Richter hatten auch zwei Sachverständige keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin. Dennoch folgte der Freispruch.
Gut anderthalb Stunden Beratungszeit hatte sich die 3. Strafkammer nach den Plädoyers der Nebenklage und des Verteidigers erbeten. Um kurz nach halb zwei folgte das Urteil: M. ist freigesprochen – das Gericht hatte erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Tochter.
M, ein 44-jähriger Dorstener Sozialarbeiter, wurde vorgeworfen, seine Tochter zwischen 2001 und 2010 in elf Fällen sexuell belästigt, missbraucht und vergewaltigt zu haben. M. hatte diese Vorwürfe bestritten. Seit dem 30. August wurde am Bochumer Landgericht verhandelt. Neun Verhandlungstage waren angesetzt.
Nach der Urteilsverkündung flossen Tränen. Der Angeklagte blickte in den Zuschauerraum. Dort hatten in der ersten Reihe erneut Freunde und Arbeitskollegen Platz genommen. Auch der Lebensgefährte des Angeklagten war im Saal. Sie alle hatten den Großteil des Prozesses im Gerichtssaal verfolgt. Die 18-jährige Tochter war ebenfalls erschienen, wartete mit zwei Freundinnen aber vor der Tür.
Der Staatsanwalt hatte eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren gefordert. Die Vertreterin der Nebenklage betonte in ihrem einstündigen Plädoyer, dass es nicht auf die Höhe der Strafe ankomme, sondern dass die Tochter ihrem Vater mitteilen möchte, dass es falsch war, was er getan hat.
Clemens Louis, der Verteidiger des Angeklagten wehrte sich entschieden gegen das, was seinem Mandanten zur Last gelegt wurde. Er betonte: „Es bestehen nicht nur Zweifel, sondern die Vorwürfe sind widerlegt.“ Das Gutachten einer Sachverständigen zweifelte der Verteidiger ebenfalls an. „Es ist nichts wert“, erklärte er.
Überprüfung des Urteils
Louis sagte, er habe sich im Laufe des Verfahrens häufiger selbst die Frage gestellt, wer die Belastungszeugin eigentlich sei. Seine Antwort: „Ich weiß es nicht. Aber mir läuft es da eiskalt den Rücken runter.“ Der Verteidiger weiter: „Ich habe das Gefühl, sie wollte das Gericht steuern.“
Das letzte Wort hatte M.. Mit leiser Stimme sagte er: „Ich frage mich, warum meine Tochter sowas behauptet. Ich finde keine Erklärung.“
Eine Erklärung dafür hatte auch der vorsitzende Richter Johannes Kirfel in seiner Urteilsbegründung nicht. Er stellte klar, dass eine Verurteilung nur dann möglich ist, wenn praktisch keine Zweifel bestehen. Und in diesem Fall habe das Gericht sogar erhebliche Zweifel. An zwei Tagen war die Belastungszeugin mehrere Stunden vernommen worden.
„Man hat den Eindruck, dass sie etwas dazu erfindet, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlt.“ Wegen der zahlreichen Widersprüche vermutet das Gericht, dass sie den Überblick über ihre Geschichten verloren habe. „Auf ihre fraglichen Aussagen können wir kein Urteil stützen“, stellte Kirfel fest. „Selbst wenn wir dem Mädchen bitter, bitter unrecht tun. Es geht nicht anders.“
Die Staatsanwaltschaft will das Urteil überprüfen lassen.