Essen./Dorsten. . Aus Angst vor Killern ging der Dorstener zur Polizei und packte aus. Der 28-Jährige enttarnte einen Drogenring, der innerhalb weniger Monate mit Rauschgift im Wert von 700 000 Euro gehandelt hatte. Jetzt muss er sich selbst vor dem Landgericht Essen verantworten.

Schwer bewacht ist Saal B 23 im Essener Landgericht am Mittwoch. Drinnen sitzt ein Dorstener als Angeklagter, der als mutmaßlicher Kopf eines Drogenrings ausgepackt und Komplizen belastet hatte. Er muss sich wegen Handels mit 150 Kilo Marihuana und 2,5 Kilo Kokain vor der XVI. Strafkammer verantworten.

Ein Schlussstrich sollte es sein, als der 28-Jährige am 27. Januar zur Polizei lief. Er offenbarte den Beamten einen Drogenhandel mit dem Zentrum in Dorsten, von dem die Beamten bis dahin nichts geahnt hatten. Ärger mit seinem Partner, der ihm angeblich russische Killer auf den Hals gehetzt haben soll, gab der Angeklagte damals als Grund für die Lebensbeichte an. Seitdem mussten sich zahlreiche Drogenkuriere vor Gericht verantworten. Auch der Partner wurde angeklagt und zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Leben des Angeklagten ist ein Scherbenhaufen

Der Angeklagte befindet sich mittlerweile im Zeugenschutzprogramm. Sieben Polizisten bewachen ihn im Saal, vor der Tür sitzen zwei Wachtmeister der Justiz. Drinnen erzählt der 28-Jährige von dem Scherbenhaufen seines Lebens. Er berichtet vom schlechten Verhältnis zu seinem Vater. Und wie er sich nach der Schule mit Aushilfsjobs über Wasser hielt. Verlockend musste ihm Anfang 2010 das Angebot erschienen sein, am Drogengeschäft zu verdienen. Erst kurz zuvor hatte er geheiratet, seine Tochter kam Ende 2009 zur Welt.

Doch im Laufe der Monate will er die Arbeit als Dealer immer kritischer gesehen haben, auch wegen seiner Familie. Als sein Partner Ende 2010 auf einer Kurierfahrt nach Mannheim festgenommen wurde, sah der Angeklagte das als gute Gelegenheit für einen Schlussstrich. „Das war ein Geschenk für mein Herz“, formuliert er am Mittwoch etwas pathetisch. Glücklich will er mit dem Schritt nicht geworden sein: „Und jetzt ist alles kaputt.“ Seine Frau will sich scheiden lassen, erklärt seine Verteidigerin.

Kronzeugenrabatt

Zur Sache sagte der Angeklagte am ersten Prozesstag noch nichts. In einem längeren Rechtsgespräch hatte die Kammer mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung die Möglichkeiten der Verurteilung erörtert. Bis zum 9. November soll der 28-Jährige jetzt überlegen, was er dem Gericht erzählt, um bei der Strafe einen Kronzeugenrabatt zu erreichen. In der Vergangenheit hatten seine Auftritte als Zeuge in Verfahren gegen seine Komplizen die Gerichte nicht vollständig überzeugt. Oft sahen sie Widersprüche in seinen Angaben.