Essen. Das Auto ist nicht mehr Kult: Laut einer Studie verliert der Pkw vor allem bei jungen Männern an Strahlkraft als Statussymbol. Gerade junge Männer würden „pragmatisch“ auf Kosten und Nutzen schauen. Auch die Benzinpreisentwicklung spiele eine wichtige Rolle.
Das Auto bleibt häufiger in der Garage. Bus, Bahn und Fahrrad legen in der Beliebtheit zu. Neue Daten des Bundesverkehrsministeriums deuten eine Trendwende im Verhalten der Verkehrsteilnehmer an. Eine Untersuchung des Instituts für Mobilitätsforschung (ifmo), das zur BMW-Group gehört, stellt zudem fest: Vor allem für junge Männer verliert der Pkw an Strahlkraft als Statussymbol. Es ist nicht mehr so Kult wie vor zehn Jahren.
Öffentliche Verkehrsmittel haben laut der Antwort der Bundesregierung auf einen SPD-Anfrage seit 2001 ihren Anteil am Beförderungsaufkommen deutlich erhöhen können: Von 15,1 auf 17,3 Prozent. Der motorisierte Individualverkehr verlor dagegen von 84,9 Prozent Anteil auf jetzt 82,7. Der mögliche Hintergrund: Die jungen Erwachsenen sind heute weniger „auto-freundlich“ als noch vor der Jahrtausendwende.
Junge Menschen steigen aufs Fahrrad um
Ifmo hat die Zeiträume 1998 bis 2000 und 2006 bis 2008 verglichen. Zum Ende des letzten Jahrhunderts legten junge Leute 58 Prozent ihrer Fahrten mit dem Pkw zurück, zuletzt waren es nur noch 50 Prozent. Die Autonutzung nahm im Schnitt von 280 Kilometer pro Woche auf 220 Kilometer ab.
Davon profitiert vor allem das Fahrrad. Sechs Prozent fuhren im Jahr 2000 mit dem Fahrrad. Heute sind es neun Prozent. Auf den Fahrten zu Schule und Ausbildung fällt der Siegeszug des Rads noch deutlicher aus: Hier gab es eine Steigerung von 10 auf 16 Prozent.
Von sieben auf zehn Prozent stieg binnen acht Jahren auch die Benutzung von Bus und Bahn durch junge Leute. Neue Angebote könnten dafür verantwortlich sein – in NRW beispielsweise das Semesterticket, das freie Fahrt im ganzen Land auf vielen öffentlichen Verkehrsmitteln möglich macht.
Deutliche Trendwende im Mobilitätsverhalten junger Erwachsener
„Deutschland ist neben Großbritannien das Land, in dem sich seit der Jahrtausendwende die deutlichste Trendwende im Mobilitätsverhalten junger Erwachsener vollzieht“, sagen die Ifmo-Forscher – und glauben, dass dahinter neben besseren öffentlichen Angeboten auch ein gesellschaftlicher Wandel steckt.
Gerade junge Männer würden „pragmatisch“ auf Kosten und Nutzen schauen - und legen nicht selten ihre Wege auch als Mitfahrer zurück: „Die klassische Rollenverteilung beim Autofahren – Mann fährt, Frau fährt mit – ist bei jungen Erwachsenen so gut wie verschwunden“, stellt ifmo fest. Dazu sinke „die Bedeutung des Autos als Mittel für soziale Teilhabe“, neue Konsumsymbole würden Gewicht gewinnen: Zum Beispiel alles rund ums Internet. „Die soziale Teilhabe verlagert sich in virtuelle Räume“.
Singlehaushalte haben weniger Geld zur Verfügung
Dass die Einkommenssituation beim Ausstieg aus der Autonutzung eine wichtige Rolle spielt, ist angesichts der Benzinpreisentwicklung unbestritten. So stellt die Bundesregierung fest, dass der Preis für Superbenzin von 2002 bis März 2012 von 1,05 Euro auf heute 1,72 Euro fast immer nur eine Richtung kannte: Aufwärts.
Gleichzeitig aber hatte gerade die schnell zunehmende Zahl junger Singlehaushalte weniger Geld zur Verfügung. Ihr reales mittleres Bruttoeinkommen ist zwischen 1998 und 2008 von 1950 Euro monatlich auf 1800 gesunken. Konsequenz: Die Betroffenen haben oft gar kein Auto.