London. Zwei Britinnen haben in Großbritannien Kampagnen gegen Sexismus gestartet. Lucy-Anne Holmes kritisiert das nackte Seite-3-Girl der Boulevardzeitung “The Sun“. Es reduziere Frauen nur auf ihre Körper. Laura Bates hat die Internetseite “The Everyday Sexism Project“ ins Leben gerufen.
Während in Deutschland die Sexismus-Debatte abebbt, flammt sie in Großbritannien zurzeit erst auf. Zwei Frauen machen mit ihren Initiativen auf das Problem aufmerksam. Unter anderem steht das nackte Seite-3-Girl der Boulevardzeitung "Sun" in der Kritik.
Wenn Laura Bates sich über die alltägliche sexuelle Belästigung in Großbritannien ärgerte, bekam sie von Männern wie Frauen immer wieder das eine zu hören: Die Gleichstellung sei erreicht. Es gebe nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohne. Umso überraschter war die heute 26-jährige Journalistin, als sie 2012 die Internetseite "The Everyday Sexism Project" ins Leben rief: Zu tausenden meldeten sich seither Frauen, um über Sexismus, sexuelle Belästigung und sogar sexuelle Übergriffe zu berichten.
Sexismus-Problem ist in Gesellschaft nicht anerkannt
"Wenn sich Frauen heute über Sexismus beklagen, wird ihnen gesagt, sie seien bieder, frigide, nörglerisch oder könnten nicht mit Witzen oder Komplimenten umgehen", sagt Bates der Nachrichtenagentur dpa in London. Das sei unglaublich frustrierend. "Wie können wir das Problem angehen, wenn wir nicht einmal anerkennen, dass es existiert?"
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In Deutschland hatte die Bloggerin Anne Wizorek Ende Januar mit dem Hashtag #Aufschrei eine Twitter-Debatte um Sexismus im Alltag angestoßen. Diese war durch die Beschwerde einer Journalistin über angebliche sexistische Äußerungen des FDP-Fraktionschefs Rainer Brüderle ausgelöst worden.
Medien reduzieren Frauen oft auf ihren Körper
In Großbritannien sei Sexismus allgegenwärtig, kritisiert Bates. Beispiele gebe es zuhauf: Kellnerinnen werde gesagt, begrapscht zu werden, gehöre zum Job. In Bussen masturbierten Männer vor weiblichen Passagieren. Mädchen im Teenageralter hätten Angst, an einer Gruppe von Männern vorbeizugehen, weil sie mit Rufen wie "Schlampe" oder "zeig' deine Titten" rechnen müssten.
Auch die Medien reduzierten Frauen oft auf das Frau-sein oder auf ihren Körper. "Wir sehen zum Beispiel, dass Angela Merkel für ihre Hosenanzüge oder ihre Pagen-Frisur kritisiert wird, Sarah Palin als aufblasbare Puppe zu kaufen ist oder Zeitungen unter dem Titel 'Breastminster' das Dekolleté britischer Ministerinnen vergleichen", sagt Laura Bates.
Nacktes Seite-3-Girl soll verschwinden
So etwas ärgert auch Lucy-Anne Holmes, die mit einer anderen Anti- Sexismus-Initiative von sich Reden macht. Die 36-jährige Autorin startete eine Kampagne gegen Großbritanniens populäre Zeitung "The Sun", um zu erreichen, dass das tägliche Nacktmodel auf Seite 3 aus dem Boulevardblatt verschwindet. "Seit 42 Jahren ist eine junge Frau, die ihre Brüste zeigt, das größte Bild einer Frau, das wir in unserer meistgelesenen Familienzeitung sehen. Was sagt das über die Stellung der Frau in der Gesellschaft aus?", beklagt sie im Gespräch mit dpa.
Das tägliche Nacktfoto reduziere Frauen auf ein paar Brüste. Es sei zudem Teil einer Medienkultur, die Opfer von sexueller Gewalt oftmals als bloße Sexobjekte darstelle. "The Sun" war nach dem Mord an Reeva Steenkamp, der Freundin des südafrikanischen Paralympics-Stars Oscar Pistorius, in die Kritik geraten, weil das Blatt mit einem großen Bikinifoto der 29-Jährigen titelte.
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Zwar dürfen Frauen in Großbritannien seit 1918 wählen. Davon abgesehen seien sie aber von Gleichstellung weit entfernt, kritisiert Holmes. So würden nur zwei der im Börsenindex FTSE 100 vertretenen Top-Unternehmen von Frauen geführt.
90.000 Unterschriften für Aktion "No More Page 3"
Unter dem Motto "boobs are not news" ("Möpse sind keine Nachrichten") hat Holmes bereits rund 90.000 Unterschriften für ihre Aktion "No More Page 3" gesammelt. Zwar gebe es positive Reaktionen von Frauen und Männern - darunter auch "Sun"-Lesern.
Die 36-Jährige bekam aber auch bitterböse Kommentare im Stil von "Du hast Scheiß-Titten" oder "Du bist neidisch". Vize-Premier Nick Clegg meinte lapidar: "Wenn es Dir nicht gefällt, kaufe es nicht." Das Blatt selbst hat sich zu der Kampagne bislang nicht äußern wollen.
Was Holmes und Bates gleichermaßen Sorge bereitet, ist die ihrer Meinung nach zunehmende Draufgängerkultur in Großbritannien. Auf Internetseiten wie Uni Lad oder Lad Bible würden Frauen erniedrigt, als "Schlampen" beleidigt und mit anderen Schimpfwörtern bedacht. Die Initiatoren verteidigen sich und meinen, das sei bloß Humor. Holmes und Bates können das allerdings nicht lustig finden: "Sie schaffen eine neue Erzählkultur, in der es eine Sache von Stolz und In-Sein ist, Frauen schlecht zu behandeln." (dpa)