Berlin. Keine Erklärung, keine Entschuldigung: Rainer Brüderle wollte sich auch beim ersten Treffen mit der Journalistin Laura Himmelreich, die Sexismus-Vorwürfe gegen den FDP-Politiker erhoben hatte, nicht zu dem Thema äußern. Die Debatte sei legitim, trotzdem wolle er weiter zu den Vorwürfen schweigen.

Nach den Sexismus-Vorwürfen hat sich FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle nicht bei der Journalistin Laura Himmelreich entschuldigt und will weiter schweigen. "Ich habe mich bisher nicht zu dem Thema geäußert und werde das auch nicht tun. Ich bitte einfach, meine persönliche Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen", sagte Brüderle am Mittwoch auf entsprechende Nachfragen bei einem Pressetermin in Berlin, an dem auch Himmelreich teilnahm.

Auf weitere Nachfragen von Journalisten sagte Brüderle, die Sexismus-Debatte habe "sicherlich ihre gesellschaftliche Relevanz". "Dass Debatten geführt werden ist in der Demokratie ein legitimes und richtiges Phänomen", unterstrich der 67-jährige Fraktionschef.

Brüderle sieht sich nicht als Belastung für die FDP

Trotz der gegen ihn erhobenen Sexismus-Vorwürfe sieht sich Brüderle nicht als Belastung für die Liberalen. "Ich sehe das so, dass ich sehr wohl der Partei sehr nütze", sagte Brüderle. Sonst hätte sie ihn ja nicht aufgefordert, Spitzenmann im Wahlkampf zu werden. Die Nominierung hatte allerdings vor Bekanntwerden der Vorwürfe stattgefunden.

An dem Pressegespräch, das regelmäßig in Sitzungswochen des Bundestages stattfindet, nahm auch die "Stern"-Redakteurin Laura Himmelreich teil. Ihr Porträt über Brüderle hatte die Sexismus-Debatte in Gang gebracht. Die 29-Jährige hatte darin geschrieben, Brüderle habe sich ihr am Vorabend des Dreikönigstreffens vor gut einem Jahr an der Hotelbar auf anzügliche Weise genähert.

Himmelreich betrat rund 15 Minuten vor Brüderle den Raum, vorbei an Fotografen und Kameraleuten. Sie wurde von Kollegen begleitet. An der Runde nahmen rund 80 Journalisten teil und damit etwa doppelt so viele wie sonst üblich. Anders als sonst verzichtete Brüderle darauf, die Teilnehmer persönlich mit Handschlag zu begrüßen. Zu einer direkten Begegnung zwischen dem Fraktionschef und der Reporterin kam es somit nicht.

Andrea Nahles kritisiert Brüderle für sein Schweigen

Im Vorfeld hatte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles Brüderle für sein Schweigen angesichts der öffentlichen Sexismus-Vorwürfe kritisiert. "Brüderle verschanzt sich hinter seinen Verteidigern. Er lässt seine Parteifreunde den Eindruck erwecken, als sei er das Opfer. Das ist einer liberalen Partei nicht würdig", sagte Nahles "Spiegel Online". "Wenn alles wirklich so passiert ist, wie beschrieben, hat Herr Brüderle eine deutliche Grenze überschritten."

Zugleich warf Nahles der FDP ein "Frauenproblem" vor. Die Partei habe seit Jahrzehnten die wenigsten weiblichen Abgeordneten im Bundestag und in Führungspositionen. Generell begrüßte die SPD-Politikerin die Debatte über Sexismus in Deutschland, sprach sich jedoch gegen gesetzliche Regelungen aus. (dpa, rtr, dapd)