Essen/Berlin. . Bundespräsident Joachim Gauck hat mit einer Stellungnahme zur Sexismus-Debatte Kritik ausgelöst. Er hatte die Diskussionen auf Twitter zu Sexismus im Alltag in einem Interview als „Tugendfuror“ bezeichnet. Die Reaktionen der #aufschrei-Frauen ließen nicht lange auf sich warten.

Gerade erst war es ein wenig ruhiger geworden um die Sexismus-Debatte rund um FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und sein „Dirndl-Kompliment“ gegenüber einer jungen Journalistin. Nun hat sich Bundespräsident Joachim Gauck eingemischt – und die Diskussion um den alltäglichen Sexismus neu entfacht. So kommentierte er in einem „Spiegel-Interview“ die Debatte auf dem Kurznachrichtenportal Twitter (#aufschrei), wo seit Wochen Frauen über ihre Erfahrungen mit Sexismus am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Alltag berichten, mit den Worten: „Wenn so ein Tugendfuror herrscht, bin ich weniger moralisch, als man es von mir als ehemaligem Pfarrer vielleicht erwarten würde.“

„Furie ist abwertend“

Anne Wizorek, Initiatorin der #aufschrei-Debatte, und weitere sechs Frauen kritisieren nun in einem offenen Brief diese Äußerung scharf. Da Gauck die erniedrigenden, verletzenden oder traumatisierenden Erlebnisse vieler Frauen in Verbindung mit dem abwertenden Begriff „Furie“ bringe, mache er die Wut von Frauen lächerlich und deklassiere sie als „Überemotionalität“.

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„Damit bedienen Sie jahrhundertealte Stereotype über Frauen – Stereotype, die sexistische Strukturen aufrecht erhalten und Geschlechtergerechtigkeit im Weg stehen“, schrieben die Frauen weiter. Ihnen bereite es große Sorgen, dass gerade der Bundespräsident als großer Verfechter der Freiheit diese Debatte nicht als wichtiges Thema begreift.

Bis zum Nachmittag schlossen sich 800 Frauen diesem Brief an. Auch die #aufschrei-Debatte bei Twitter gewann durch die Einmischung wieder an Fahrt, allerdings drehen sich die Tweets nun vor allem um den Bundespräsidenten. So twittert Lou Lorenz: „Wir sind keine Furien, wir haben Argumente“.