Essen. Hatte Günter Grass nicht angekündigt, sein umstrittenes Gedicht zu Israel “mit letzter Tinte“ geschrieben zu haben? Anscheinend nicht, denn er hat es schon wieder getan. Dieses Mal wettert er über den Umgang Europas mit Griechenland. Es gibt also Neues von Deutschlands oberstem Wutdichter. Ein Kommentar.
Es war selbstverständlich doch nicht „mit letzter Tinte“, mit der sich Günter Grass da kurz vor Ostern zu Wort gemeldet hat. Der weltweite Wirbel, den er mit seinem als Gedicht verkleideten Leitartikel auslöste, ließ ihn womöglich glauben, er sei damit tatsächlich den Israelis beim vermeintlichen atomaren Erstschlag gegen den Iran in den Arm gefallen.
Tatsächlich aber dürfte Deutschlands prominentester Wutdichter vor allem die Einflussmöglichkeiten deutscher Politiker in Israel beschnitten haben. Nun folgt also, kurz vor Pfingsten, der zweite Streich.
Als Gedicht, als rhythmische Kunstform ist „Europas Schande“ mit seinen anapästischen Vierhebern wesentlich besser gelungen als der Vorgänger „Was gesagt werden muss“. Es kratzt alle historischen und moralischen Argumente dafür zusammen, dass Europa Griechenland nicht im Stich lassen darf. Mit Anspielungen auf Goethes Humanitätsdrama „Iphigenie“, auf deutsche Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg ausgerechnet mit Gedichten des Griechenverehrers Hölderlin im Tornister Griechenland unterwarfen.
Dass das den Griechen geliehene Geld den Banken dieser Welt die Tresore füllt – Grass hat ja recht. Aber er vergisst, wieder einmal, die andere Seite: Die Tatsache, dass es sich etliche Griechen mit dem geliehenen, in den Ritzen eines schlecht organisierten Staates versickernden Geld gut gehen ließen, das verschweigt er.