Berlin. Führende SPD-Politiker wollen einem Zeitungsbericht zufolge auf die Wahlkampfhilfe des Literaturnobelpreisträgers Grass verzichten. Bundestagsvizepräsident Thierse warnte nun davor, voreilige Entscheidungen zu treffen und Grass auch ein “Einreiseverbot“ für die SPD zu erteilen. Grass sorgt mit einem umstrittenen Gedicht zu Israles Atompolitik für Aufregung.

Führende SPD-Politiker wollen künftig auf Wahlkampfhilfe von Literaturnobelpreisträger Günter Grass verzichten. Mit Grass' umstrittenen Gedicht zu Israels Atompolitik habe sich "die Frage von künftigen Wahlkampfunterstützungen für die SPD erledigt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Christian Lange, der Zeitung "Welt".

Ähnlich äußerte sich der SPD-Politiker Reinhold Robbe. "Ich möchte Grass nicht mehr in einem Wahlkampf für die SPD erleben", sagte er dem Blatt. Günter Grass habe sich mit seinen jüngsten Äußerungen zwischen sämtliche Stühle gesetzt. "Wahlkampfaktionen mit Grass würden viele Sozialdemokraten jetzt als Provokation und nicht als Unterstützung empfinden." Davon abgesehen gelte mit Blick auf Grass: "Seine Zeit ist einfach vorbei."

Grass hatte in seinem Gedicht "Was gesagt werden muss" die Iran-Politik der israelischen Regierung scharf angegriffen und damit seinerseits heftige Kritik auf sich gezogen.

Erfahrener Wahlkämpfer für die SPD

Grass machte seit Jahrzehnten Wahlkampf für die SPD. In den 1960-er Jahren hatte er sich leidenschaftlich für die Wahl des Sozialdemokraten Willy Brandt zum Kanzler eingesetzt. Seine Erfahrungen im Bundestagswahlkampf 1969 hatte Grass in dem Buch "Aus dem Tagebuch einer Schnecke" verarbeitet.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat in der Debatte nun davor gewarnt, den Literatur-Nobelpreisträger zum Antisemiten abzustempeln. Der Schriftsteller könne und solle in seinen Argumenten politisch kritisiert werden, "aber ich halte es für fatal, aus Günter Grass einen Antisemiten zu machen", sagte Thierse am Dienstag im Deutschlandfunk.

Thierse warnt vor voreiligen Entscheidungen

Thierse warnte zudem davor, Grass voreilig vom Wahlkampf für die SPD auszuschließen. "Ich halte nichts davon, dass die SPD wie der Staat Israel Günter Grass zur persona non grata erklärt und gewissermaßen eine Art Einreiseverbot erteilt", sagte der SPD-Politiker. Er wisse aber auch nicht, ob sich die Frage eines Wahlkampf-Engagements überhaupt stelle, sagte er mit Blick auf Grass' Alter von 85 Jahren. (afp)