Essen. . Günter Grass hat wieder zur Tinte gegriffen. Dieses Mal hat er sich das Thema Griechenland vorgenommen. In seinem neuen Gedicht nimmt er den griechischen Staat und seine Bürger in Schutz. Gleichzeitig erhebt er schwere Vorwürfe gegen Angela Merkel und ihre Europa-Politik.
Dass ein Dichter Gedichte verfasst, ist zunächst nichts Bemerkenswertes. Doch wenn Günter Grass knapp zwei Monate nach seinem israelkritischen und meist empört diskutierten Gedicht „Was gesagt werden muss“ sich erneut lyrisch einmischt, ist das eine Nachricht. „Europas Schande“ ist der Titel des neuen Poems, das an diesem Samstag in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wird. Grass nimmt sich wieder ein aktuelles Thema vor, diesmal ist es die Debatte um Griechenland.
Grass beklagt darin, dass Griechenland „als Schuldner nackt an den Pranger gestellt“ wird, ein „zur Armut verurteiltes Land“, „dem Chaos nah, weil dem Markt nicht gerecht“. Griechenland sei ein „rechtloses Land, dem der Rechthaber Macht den Gürtel enger und enger schnallt“.
Das Gedicht besteht aus zwölf jeweils zweizeiligen Strophen und dem Text merkt man an, dass sich der Autor diesmal deutlich mehr handwerkliche Mühe mit der lyrischen Form geben wollte. Zuletzt war seinem Israel-Gedicht auch von Kollegen attestiert worden, es sei nicht nur inhaltlich schwer erträglich, sondern auch rasend schlecht gedichtet. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hatte in der FAZ darüber geurteilt: „Es ist alles unerträglich, wenn man das liest.“
Grass erhebt schwere Vorwürfe gegen Europas Regierungen
Grass wirft in dem neu verfassten Poem Europa vor, dem Land mit immer neuen Sparvorgaben den Lebensatem abzuwürgen. „Sauf endlich, sauf! schreien die Kommissare Claqueure, doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück“, heißt es unter Anspielung auf den griechischen Philosophen Sokrates, der nach dem Todesurteil den Giftbecher trinken musste.
Europa, dessen Wiege doch in Griechenland lag und dessen Selbstverständnis bis heute durch die griechische Kultur geprägt ist, verrate mit der Sparpolitik seine eigenen Werte: „Was mit der Seele gesucht, gefunden Dir galt, wird abgetan nun, unter Schrottwert taxiert.“ Der Dichter nimmt aber auch speziell Deutschland und seine mit Griechenland verknüpfte NS-Geschichte ins Visier, wenn er die Besatzung im Zweiten Weltkrieg thematisiert: „Die mit der Waffen Gewalt das inselgesegnete Land heimgesucht, trugen zur Uniform Hölderlin im Tornister“.
In dem Anfang April – ebenfalls in der Süddeutschen – veröffentlichten Gedicht „Was gesagt werden muss“ hatte Grass Israel vorgeworfen, mit seinen Atomwaffenarsenal den Weltfrieden zu gefährden und den Iran mit einem Präventivschlag auslöschen zu wollen. Der Text wurde vielfach als antisemitische Kritik an Israel aufgefasst. Vor allem vor dem Hintergrund seiner erst spät eingestandenen Mitgliedschaft in der Waffen SS löste das Gedicht Empörung aus.