Korinth. Vielen deutschen Urlaubern ist die Lust auf Griechenland als Reiseziel vergangen. Mit weitreichenden Folgen: Mit dem Ausbleiben deutscher Touristen fällt nun mitten in der Schuldenkrise das wichtigste Geschäft der Griechen aus. Der Umsatz droht um fünf Prozent zu sinken.

Angela Merkel in Nazi-Uniform, die schwarz-rot-goldene Flagge in Flammen, Berichte über eine offenbar weit verbreitete anti-deutsche Stimmung: Den Bundesbürgern ist die Lust darauf vergangen, im sonnenreichen Griechenland Urlaub zu machen. Wer mag sich schon an seinen kostbarsten Tagen dem Risiko aussetzen, wie ein Nazi angeschaut zu werden? Auf der griechischen Seite hat die Abstinenz aber drastische Folgen. Mit dem Ausbleiben der Deutschen fällt mitten in der Schuldenkrise das wichtigste Geschäft der Griechen aus, die einen hohen Anteil von 15 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts im Tourismus erwirtschaften.

Normalerweise sind Städte wie Korinth im April mit Menschen gefüllt, die fröhlich ihr Urlaubsgeld ausgeben. Nicht so in diesem Jahr. Der charmante Ort 80 Kilometer westlich von Athen ist so gut wie verwaist. Restaurants sind kaum besetzt, Hotels fast leer, wenig tut sich in Andenkenläden und Cafes. Die Deutschen, sonst die größte Gruppe unter den Besuchern in der Region, fehlen. Nicki Nastouli arbeitet in einem Souvenirgeschäft und in einem Restaurant, das nur wenige Schritte von dem sehenswerten Kanal entfernt liegt, den die Korinther im 19. Jahrhundert tief in den Felsen des Peloponnes geschlagen haben.

"Wir haben kein Problem mit den Deutschen"

Sie möchte am liebsten jedem einzelnen Deutschen versichern, dass trotz der Abneigung gegenüber der Schulden-Zuchtmeisterin Merkel jeder Wähler der Kanzlerin willkommen ist. "Wir haben keine Probleme mit den Deutschen, nur mit ihrer Regierung", stellt die 32-Jährige fest. Und was für welche: Weil Deutschland in der Schuldenkrise auf Sparsamkeit und Reformen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit pocht, setzen Demonstranten in Athen gerne deutsche Fahnen in Brand und schwenken Plakate, auf denen Merkel mit verkniffenem Gesichtsausdruck wie eine Nationalsozialistin gezeigt wird.

Krawalle in Griechenland

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Karikaturen führen die Kanzlerin gemeinsam mit Finanzminister Wolfgang Schäuble als KZ-Wächter vor. Die Insassen des Lagers: Griechen. "Niemand in Griechenland mag Merkel", sagt der 51-jährige Yannis Kalyerakos, der mit seiner Familie den historischen Kanal von Korinth besichtigt. "Die Griechen haben aber kein Problem mit den Deutschen - auch wenn ihre Regierung die Griechen für alles, was falsch läuft, verantwortlich macht."

Auseinandersetzung hat die Bevölkerung erreicht

In diesem Jahr haben deutsche Touristen so wenige Reisen im voraus gebucht, dass der Gesamtumsatz des Wirtschaftszweiges um fünf Prozent zu sinken droht. Das macht dem Chef der staatlichen Marketingorganisation zur Ankurbelung des Tourismus, Andreas Andreadis, Sorgen: "Es ist nicht mehr alleine ein Kampf unter Politikern", sagte er Reuters kürzlich.

"Die Auseinandersetzung hat die Bevölkerungen erreicht. Wir müssen die Beziehungen zwischen den beiden Völkern wieder verbessern und all die Konflikte zwischen Bankern und Politikern außen vor lassen." Selbst für die Hauptsaison liegen aus Deutschland rund 30 Prozent weniger Buchungen vor. Die Nachfrage versiege, heißt es bei einem großen Reiseveranstalter in Berlin. "Viele zögern, weil es Berichte gibt, dass Deutsche beschimpft würden und oft gestreikt wird", sagt ein Mitarbeiter.

Rechte Parteien schlagen aus der Stimmung Kapital

"Nur die ganz harten Griechenland-Fans buchen noch." Viele Griechen akzeptieren, dass sie nach Jahrzehnten großzügiger staatlicher Ausgaben den Gürtel enger schnallen müssen. Aber viele von ihnen sind zugleich überzeugt, dass sie im Grunde für ihre andere, leichtere Lebensart bestraft werden sollen. Und die Emotionen kochen hoch vor den Wahlen am kommenden Wochenende, bei denen sie erstmals seit Ausbruch der Schuldenkrise 2009 über eine neue Regierung entscheiden können.

Rechte Parteien schlagen aus der Stimmung Kapital: "Die deutsche Führung versucht, das Gesicht Europas zu verändern", sagt Panos Kammenos, Chef der Partei Unabhängige Griechen, die aus dem Stand in den Umfragen auf elf Prozent kommt. "Sie will aus einem Europa der unabhängigen Staaten ein Europa machen, das von Deutschland dominiert wird." Das verfängt. "Merkel und ihre Regierung wollen die griechische Lebensart ändern", sagt die 43-jährige Marina Metsopoulos, Kellnerin in einem Cafe in Korinth, das leicht mehr Gäste bewirten könnte. "Deutschland führt einen Wirtschaftskrieg gegen Griechenland."

"Die Deutschen schulden den Griechen Milliarden"

Die 43-Jährige sieht ihre Landsleute als Opfer und erinnert an die Zeit der Besatzung durch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. In den drei Jahren verhungerten allein in Athen rund 300.000 Menschen. "Die Griechen haben versucht, das zu vergessen", sagt Metsopoulos. "Aber jetzt das. Wenn Sie mich fragen, dann schuldet Deutschland Griechenland Milliarden für all diese Morde und Kriegsverbrechen. Deutschland sollte Griechenland bezahlen, was es ihm schuldet." Jeder fünfte Grieche verdient sein Geld im Tourismus. Mit einem Anteil von 14 Prozent stellen die Deutschen die größte Gruppe unter den Besuchern.

Deutsche, die die Reise ins Land der Sonne dennoch antreten, sagen, Griechenland sei so gastlich wie immer. "Wir haben eine großartige Zeit hier und die Griechen sind unglaublich freundlich", sagt die 30-jährige Kfz-Mechanikerin Christine Peters aus München, die mit ihrem Mann Urlaub in Korinth macht. Allerdings überrascht es sie nicht, dass viele einen Bogen um das Land machen. "So sind die Deutschen halt: Wenn es in einem Land Ärger gibt, dann fahren sie da in ihrem Urlaub einfach nicht hin." (Reuters)