Essen. Die Schriftstellerin Kathrin Schmidt schildert in "Du stirbst nicht" die Geschichte ihrer eigenen Genesung und einer Befreiung. Schmidts Roman ist für den Deutschen Buchpreis 2009 nominiert.
Dieses Buch verstört. Wir sind es ja längst gewohnt, über Krankheit und Sterben zu lesen aus erster Hand (gerade Krebstagebücher sind beinahe schon ein eigenes Genre). Die Schriftstellerin Kathrin Schmidt aber erzählt erstens nicht vom Verfall: In ihrem Roman „Du stirbst nicht” (Kiepenheuer & Witsch, 348 Seiten, 19,95 Euro) erleidet die Autorin Helene Wesendahl im Alter von 44 Jahren eine Hirnblutung; ihr Weg führt sie aus der körperlichen Abhängigkeit von Krankenhausgerätschaften hinaus in die Welt – vom Fast-Tod zurück ins Leben.
Zweitens beschreibt Kathrin Schmidt, geboren 1985 in Gotha, zwar einen (nämlich: ihren) persönlichen Leidensweg, aber in der dritten Person und in einer Sprache, die dem stotternden Neubeginn Poesie abringt: „Jetzt denkt sie also darüber nach, wie sie aussieht. Wie sieht sie aus? Sie weiß es nicht mehr, sie hat kein Bild von sich. Die haben ihr das Bild von sich geklaut! Das ist die Vorhölle, die vor der richtigen Hölle kommt, und die richtige Hölle kommt nachts, wenn es dunkel ist.”
„Das ist die Vorhölle”
Die Rückkehr der Erinnerung, des Verstehens, der Artikulation betrifft drittens nicht nur Helene Wesendahls Leben als Mutter von fünf Kindern und Ehefrau eines Mannes, den zu lieben sie längst aufhörte. Die Freiheit, die Helene durch ihre Genesung erfährt, sie gleicht der Befreiung von einem erdrückenden politischen System. Und auch die Gefühlsmelange im Angesicht der Erinnerung mag eine ähnliche sein: „im Schmerz Freude, in Freude Schmerz”.
Der Roman steht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.