Berlin/Düsseldorf. Gerangel um die Kompetenzen m Kampf gegen rechtsextreme Terroranschläge: Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger rügt “Doppelzuständigkeiten“ und fordert Zusammenlegung der Verfassungsschutzämter. NRW-Innenminister Jäger lehnt ein gemeinsames Abwehrzentrum als “Mega-Behörde“ hingegen ab.

Eine Zentraldatei oder weniger Verfassungsschutzämter? Die Politik streitet sich um Kompetenzen beim Kampf gegen Terroranschläge von Neonazis. Während Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Freitag weniger Landesverfassungsschutzämter forderte, warfen ihr mehrere Länderinnenminister vor, eine bessere Zusammenarbeit der Ämter zu blockieren.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger lehnt das von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geplante Zentralregister rechtsextremistischer Gewalttäter ab. "Wer jetzt eine Strukturdebatte anfängt, hat nicht begriffen, dass es eine Vertrauenskrise gegenüber den Verfassungsschutzbehörden gibt", sagte der SPD-Politiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Ein gemeinsames Abwehrzentrum mit einer neuen Anti-Terrordatei als "Mega-Behörde" halte er nicht für sinnvoll, sagte Jäger. Vielmehr sollten bereits vorhandene Instrumente wie das Nachrichtendienstliche Informationssystem besser genutzt werden. Dazu müssten neben Strukturen und Netzwerken auch Personen in dem Datenverbundsystem von Bund und Ländern gespeichert werden.

Mehrere CDU-Politiker und das Bundeskriminalamt (BKA) sprachen sich für ein Abwehrzentrum gegen rechtsextreme Gewalt aus.

Sonderkonferenz in Berlin

Die Innen- und Justizminister von Bund und Ländern wollten am Freitag in Berlin auf einer Sonderkonferenz über das weitere Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen den Rechtsterrorismus beraten. Leutheusser-Schnarrenberger drängte die Länder zur Zusammenlegung ihrer Verfassungsschutzämter. Statt über 16 Landesämter könne man auch über 3 oder 4 nachdenken, sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". Im Fall der rechtsextremen Terrorzelle hätten es 32 Landeskriminal- und Verfassungsschutzämter nicht geschafft, eine rechtsextreme Mordserie zu verhindern. Die Ministerin rügte "Doppelzuständigkeiten" und "Effizienzverluste" zwischen den Behörden. "Da weiß der eine nicht, welche V-Leute der andere hat", sagte sie.

Länder sehen das Problem im Bundesjustizministerium

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, die Länder wollten im gemeinsamen Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden nicht nur auf Aktenzeichen, sondern auf konkrete Informationen zugreifen können. Dafür forderten die Länderinnenminister seit vielen Jahren eine Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes. "Dieser Gesetzesänderung wird vom Bundesjustizministerium seit Jahren widersprochen", sagte Herrmann der "Augsburger Allgemeinen".

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) forderte, sämtliche Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten in einer Zentraldatei zu speichern. "Wenn wir die Informationen nicht haben und keinen Zugriff darauf, dann kann es zu Pannen kommen", sagte er am Donnerstagabend in der ARD-Sendung "Beckmann". Die Schuld dafür, dass es eine solche Datei nicht gibt, trage die Bundesjustizministerin.

Auch Opposition will weniger Landesverfassungsschutzämter

Unterstützung fand die Ministerin bei SPD und Grünen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann sagte der "Süddeutschen Zeitung", zu einer besseren Zusammenarbeit der Behörden gehöre auch die Frage, ob eine Zusammenlegung einzelner Ämter sinnvoll sei.

Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin verlangte eine Reform, die das "unkontrollierte und unkoordinierte" Agieren von 16 Landesämtern beende. "Dabei darf es keine Tabus geben", sagte er dem Blatt.

Der Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag sagte der "Berliner Zeitung": "Ich kann auch mit einem Bundesamt für Verfassungsschutz leben, das acht bis zehn Außenstellen hat."

Anti-Islamisten-Strategie soll auch gegen Rechts helfen

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier (CDU) machte sich dafür stark, das gemeinsame Terrorabwehrzentrum zum Kampf gegen Neonazi-Terroristen nutzen. "Wir müssen gegen die Bedrohung durch den Rechtsterrorismus ähnliche Strukturen schaffen, wie wir sie im Kampf gegen den islamistischen Terror aufgebaut haben", sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post".

Ähnlich äußerte sich der Thüringer Innenminister Jörg Geibert (CDU). "Man hat dann zentrale Ansprechpartner und ist dann im Prinzip an einer Stelle in der Lage, sich ein komplettes Bild über die Situation in der Bundesrepublik zu verschaffen", sagte Geibert dem Radiosender MDR info.

BKA-Präsident Jörg Ziercke sagte, der Informationsverbund der Sicherheitsbehörden müsse im Kampf gegen rechtsterroristische Strukturen enger geknüpft werden. Bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus habe sich die Einrichtung eines Abwehrzentrums bewährt, sagte er der Zeitung "Die Welt". (dapd)