Berlin. Die Regierung habe die Solaten am Hindukusch allein gelassen, sagt die Opposition. Union und FDP fordern zum Abschluss des Kundus-Untersuchungsausschusses eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die für Vergehen von Soldaten bei Auslandseinsätzen zuständig ist. Die Parteien sind uneinig, ob der Luftangriff gegen das Völkerrecht verstoßen hat.

Als Ergebnis des Kundus-Untersuchungsausschusses fordern Union und FDP die Errichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für mutmaßliche Vergehen von Soldaten im Auslandseinsatz. Über solche Vorfälle unter Extrembedingungen könnten nicht jene Leute entscheiden, die in Deutschland auch Verkehrsdelikte verfolgten, sagte der Unions-Berichterstatter im Ausschuss, Michael Brand (CDU), am Donnerstag in Berlin.

Die SPD schloss sich dem Vorstoß an. Während die Grünen juristische Spezialisten nicht ablehnten, aber eine Auffächerung der Ermittler auf die Bundesländer verlangten, lehnte die Linke die Idee grundsätzlich ab.

Wirklichkeit wurde zu lange verdrängt

Zum Abschluss des Kundus-Untersuchungsausschusses hat die SPD der Bundesregierung eine Mitschuld an den Zuständen gegeben, die zu dem tödlichen Bombardement führten. Die Politik habe die Wirklichkeit in Afghanistan mit den zunehmenden Kämpfen viel zu lange verdrängt, sagte der Verteidigungsexperte Rainer Arnold (SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung des Abschlussberichts. "Das hat bei den Soldaten natürlich zusätzlich Druck erzeugt". Die Regierung habe die Soldaten am Hindukusch auch allein gelassen, weil sie nicht mehr selbst über ihr Vorgehen hätten bestimmen können.

"Der Kampf wurde ihnen vom Gegner aufgedrängt, und Minister (Franz Josef) Jung hat viel zu lange gezögert, dieser veränderten Wirklichkeit mit veränderten Einsatzbedingungen, einer veränderten Taschenkarte, Rechnung zu tragen", kritisierte Arnold den früheren Verteidigungsminister. Dies habe bei den Soldaten großen Frust ausgelöst.

Unklar ist bis heute, wie viele afghanische Zivilisten im September 2009 bei dem von dem deutschen Oberst Georg Klein angeordneten Luftangriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus getötet wurden. Arnold sprach von mindestens 83 Toten, darunter 22 Kinder. Der Untersuchungsausschuss hatte zwei Jahre lang in 79 Sitzungen den Vorfall untersucht.

Verstoß gegen das Völkerrecht?

Beim Luftangriff vor zwei Jahren wurden Dutzende Menschen getötet. (Foto: dapd)
Beim Luftangriff vor zwei Jahren wurden Dutzende Menschen getötet. (Foto: dapd)

Unterschiedlich fiel die Bewertung der Parteien zu der Frage aus, ob Klein mit dem Luftangriff gegen das Völkerrecht verstieß. Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour geht davon aus, da das Bombardement nicht verhältnismäßig gewesen sei. Er warf der Bundesregierung zudem vor, die Aufklärung des Vorfalls entgegen allen Versprechen nicht unterstützt zu haben. Auch die Links-Politikerin Inge Höger sprach von einem Verstoß gegen das Völkerrecht, da Klein es darauf angelegt habe, die Menschen bei den Tanklastern ohne Vorwarnung zu treffen.

Die übrigen Fraktionen sehen dies anders: Klein habe mit den ihm vorliegenden Informationen nach bestem Wissen und Gewissen zum Schutz seiner Soldaten gehandelt, sagte der CDU-Verteidigungsexperte Michael Brand. Zugleich warnte er die Opposition davor, der Truppe mit unwürdigen Unterstellungen in den Rücken zu fallen. Die Soldaten im Einsatz dürften nicht kriminalisiert werden. Arnold wiederum argumentierte, der Angriff sei nicht völkerrechtswidrig, da Klein gedacht habe, es hielten sich nur Aufständische in der Nähe der Tanklaster auf.

Kein Disziplinarverfahren nach Luftangriff

Bei dem von Klein angeordneten Luftangriff auf zwei entführte Tanklaster waren am 4. September 2009 nahe Kundus Dutzende Menschen getötet worden. Die Bundesanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen Klein wegen des Bombardements im April 2010 ein. Auch Anhaltspunkte auf ein Dienstvergehen ergaben sich nach Angaben der Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht, so dass sich Klein auch keinem Disziplinarverfahren stellen musste. (rtr, dapd)