Duisburg. Fast zehn Jahre lang leitete Jonathan Darlington als Generalmusikdirektor die Duisburger Philharmoniker. Im Mai wird er sich in der Mercatorhalle mit Gustav Mahlers monumentaler „Auferstehungs-Symphonie“ von seinem Publikum in Duisburg verabschieden.

Die Duisburger Philharmoniker können auf eine ungewöhnlich erfolgreiche Dekade unter seiner Führung zurückblicken. Die Konzerte sind nahezu restlos ausverkauft, die Kritiken der Live-Aufführungen und zahlreichen CDs fallen durchweg überschwänglich aus und auf zahlreichen Auslandsreisen, unter anderem nach Athen, Amsterdam, Montreux, China, Polen und Litauen, hat sich das Orchester als erstklassiges Markenzeichen der Stadt bewährt. Mit der vor drei Jahren eingeweihten Mercatorhalle verfügt das Orchester mittlerweile auch über ein prächtiges Domizil. Dennoch belastet die Stadt ein Image-Problem, nicht erst seit der Love-Parade.

Ob es dem gebürtigen Briten gelungen ist, die Philharmoniker vom Ruf eines „no-name“-Orchesters befreit zu haben, wird die Zeit zeigen. Eine Antwort weiß auch Jonathan Darlington nicht. Dazu sagt er: „Von „no-name“-Orchester möchte ich nicht sprechen. Aber Duisburg ist vor allem als Wirtschaftsstandort bekannt, weniger als Kulturstadt. Und 70 Prozent der Arbeit des Orchesters fließen in die Deutsche Oper am Rhein. Das künstlerische Potenzial auf dem Konzertpodium ist noch nicht ausgeschöpft, aber durch die Oper gebunden. Ich kann mir vorstellen, dass wir als Konzertorchester noch öfter auf Reisen gehen und noch mehr interessante Projekte zur Image-Pflege in Angriff nehmen könnten, wenn wir die entsprechende Zeit hätten.“

Der Rheinoper, an der Sie als Kapellmeister wirkten, haben Sie immerhin zu verdanken, dass die Philharmoniker auf Ihre Qualitäten aufmerksam wurden. Das Orchester war sich bei Ihrer Berufung zum Generalmusikdirektor rasch einig. Wie fielen Ihre ersten Eindrücke von Duisburg aus?

Jonathan Darlington: Ehrlich gesagt, deprimierend. Es war ein kalter, regnerischer Novembertag. Eine Probe für Janáceks düstere ‚Katja Kabanova“ stand an. Ich fragte mich: „Was soll ich hier?“ Doch dann lernte ich das Orchester kennen und allmählich auch die Stadt und ihre bodenständigen Menschen. Ich fühle mich jetzt wohl hier und habe viele Freunde gefunden. Schade nur, dass man nicht durchgängig anwesend sein kann. Auch das ist ein Grund für mich, nach zehn Jahren Abschied zu nehmen. Das Orchester braucht neue Impulse, und ich muss auch an meine Zukunft denken.

Ihre Zukunft sieht doch nicht düster aus.

Darlington: Zum Glück. Ich bin musikalischer Direktor der Oper von Vancouver (Kanada) und dirigiere regelmäßig an der Oper von Sydney. Mein Kalender ist voll. Weitere Termine in Genf, Dresden, Frankfurt, Berlin und Oslo stehen in den nächsten Monaten an.

Besondere Akzente haben Sie mit englischem und vor allem französischem Repertoire gesetzt. Die Klangsensibilität der Philharmoniker hat sich unter Ihrer Leitung wesentlich verfeinert. Woher stammt die Liebe eines Engländers zum ehemaligen Erzfeind Frankreich?

Darlington: Als ich vor 20 Jahren Paris betrat, war es um mich geschehen. Das Flair und die musikalische, von Debussy geprägte Kultur der Stadt nahmen mich sofort gefangen. Dort ist mittlerweile mein Hauptwohnsitz, meine drei Söhne und meine Frau, eine Ballettmeisterin, wohnen dort. Und dort erhielt ich auch als Korrepetitor von Pierre Boulez, Riccardo Muti und Olivier Messiaen wichtige Impulse. An der Opéra de Bastille habe ich es dann bis zum stellvertretenden Generalmusikdirektor geschafft.

Aber das Dirigieren faszinierte sie erst recht spät...

Darlington: Als junger Mann spielte ich leidenschaftlich gern Rugby und Klavier. Als Musiker sehe ich mich immer noch als Kammermusiker. Deshalb wohl auch meine Vorliebe für die filigrane Musik der Franzosen. Das Dirigieren ist für mich bis heute ein ewiger Kampf geblieben, von dem das Publikum natürlich nichts merken darf. Aber ich habe erst mit 34 Jahren zum allerersten Mal dirigiert, und dann gleich zur Eröffnung der Pariser Bastille Oper einen „Figaro“ für den erkrankten Gabriele Ferro. Aus dem Stand ohne jede praktische Erfahrung. Ich musste von vorn anfangen und lernen wie ein Erstsemester. Enttäuschungen blieben da nicht aus. Eine harte Zeit, in der ich an meinen Aufgaben wuchs. Und dann kamen Angebote und es ging aufwärts.

Welches Resümee ziehen Sie aus Ihrer Duisburger Zeit?

Darlington: Ich habe viel von dem Orchester gelernt. Ich hoffe, dass es auch von mir profitieren konnte. Wir haben gemeinsam das fünfjährige Exil im akustisch bescheidenen Theater am Marientor überstanden. Die Verzögerungen bei der Eröffnung der neuen Mercatorhalle haben meine Geduld strapaziert. Aber ich habe mir gesagt: Da musst du durch. Und es hat sich gelohnt. Ich habe viel gelernt im Umgang mit einem Orchester, aber auch für die Lösung von Problemen. Und ich werde nicht vergessen, dass hier in Duisburg mein dritter Sohn zur Welt gekommen ist. Ich hoffe, dass ich jetzt ein wenig mehr Zeit für meine Familie erübrigen kann.