Duisburg. .
Aktuell werden alle Gastdirigenten der Duisburger Philharmoniker als potenzielle GMD-Kandidaten gehandelt und besonders unter die Lupe genommen.
Das gilt auch für Benjamin Shwartz, der vom Publikum im ersten Philharmonischen Konzert der Saison in der Mercator-Halle begeistert gefeiert wurde.
Gleichwohl stellt sich die Frage, ob ein erfolgreiches Gastspiel ausreicht, um einen neuen GMD zu küren oder ob unter den Kapellmeistern der Deutschen Oper am Rhein, die regelmäßig mit den Duisburger Philharmonikern arbeiten, nicht auch ein Nachfolger von Jonathan Darlington zu finden ist. Denn auch Darlington und das Orchester lernten sich bei der gemeinsamen und langjährigen Opernarbeit kennen.
Shwartz gelang ein hervorragender Einstand mit einem vielseitigen Programm, das drei Komponisten aus dem deutschen Sprachraum vereinte, die ihre Wurzeln in der jüdischen Kultur haben. So wurde der israelische Komponist Tzvi Avni als Kind polnischer Juden in Saarbrücken geboren. Aus Anlass seines 83. Geburtstags brachten die Philharmoniker sein Konzert für Klavier und Kammerorchester zur Uraufführung.
Avnis Tonsprache verstört nicht, enthält nachvollziehbare melodische Wendungen und eine kantige Rhythmik, die den erfahrenen Ballettkomponisten verrät. Der dramaturgische Aufbau orientiert sich an traditionellen Modellen. Das konzertierende Wechselspiel tritt hier hinter dem gemeinsamen Musizieren von Solistin und Orchester zurück. Pianistin Heidrun Holtmann spielte ihren sehr bewegten Klavierpart mit großer Energie, ging aber manchmal im Gesamtklang unter. Das Publikum bedachte die gediegene Komposition mit freundlichem Beifall.
Das große Gespür von Benjamin Shwartz für das Auskosten instrumentaler Feinheiten und musikalischer Schwebezustände zeigte sich besonders in Felix Mendelssohn-Bartholdys Konzertouvertüre „Die Hebriden“ und in Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 1. Besonders die Mahler-Sinfonie mit dem Beinamen „Der Titan“ wurde zu einem großen künstlerischen Triumph für Shwartz und die Philharmoniker.
Das Orchester spielte die Kontraste, die Mahler in seinem Kosmos eröffnet, perfekt aus: Da erstand der erste Satz quasi schwebend aus dem Nichts und manifestierte sich dann in den Melodien, die Mahler seinen „Lieder eines fahrenden Gesellen“ entnommen hatte. Der zweite Satz schwankte zwischen Walzerseligkeit und bizarrem Totentanz. Shwartz dirigiert mit klarer Gestik und Schlagtechnik. Dabei ist er weder ein Asket, der nur die nötigsten Zeichen gibt, noch ein Showmann, der über das Podium hüpft. Stattdessen überließ er dem Orchester die Show, als er die sieben Hörner zum triumphalen Finale stehend aufspielen ließ. Die Schlussakkorde waren ein sich überschlagender Rausch. Und ebenso rauschhaft reagierte auch das Publikum: mit tosendem Jubel und stehenden Ovationen.