Kreis Wesel. Das Land NRW will das Baurecht durchsetzen - und das sieht kein Dauerwohnen auf Campingplätzen vor. Doch die Menschen, die sich für dieses Leben entschieden haben, geben nicht so schnell auf. Sie haben ihren Erstwohnsitz dort, leben günstiger und oft gesünder als in den Großstädten.
Wolfgang Duske hat sich ein kleines Paradies gebaut. Zwar muss der Pavillon noch für die Sommersaison hergerichtet werden, aber der Rest ist schon aufgehübscht. Aus seinem grünen Rasen wachsen Fächerpalmen heraus und sorgen für mediterranes Flair. Und das mitten in Hünxe. Hier lässt es sich leben, hat sich Wolfgang Duske gedacht und ließ sich vor zehn Jahren mit seiner Lebensgefährtin Brigitte Wahlfeldt nieder. Sein Zuhause ist der Campingplatz. Und das will ihm das Land nun nehmen? „Es wäre eine Katastrophe“, sagt er. „Wir wüssten nicht, was wir machen sollten.“
Die Dauercamper sind der NRW-Regierung ein Dorn im Auge, weil sie eigentlich gegen geltendes Baurecht verstoßen. Aber dieses Baurecht ist sich nicht mit unserem Meldegesetz grün. Wer auf einem Campingplatz in Schermbeck wohnt, kann sich beim Bürgeramt anmelden – das ist völlig rechtens. Andererseits verstößt dauerhaftes Wohnen auf Campingplätzen gegen das bundesweite Baurecht, weil die Plätze in Erholungsgebieten liegen, und dort ist dauerhaftes Wohnen nicht gestattet.
Die Städte und Gemeinden haben die Erstwohnsitze auf den Plätzen bislang toleriert, jetzt aber fordert das Land die Kommunen auf, sich der Sache anzunehmen. Für viele Camper wäre dies das Ende ihres lieb gewonnen Lebensstils.
Bessere Luft, weniger Tabletten
„Ich könnte nicht zurück“, sagt Brigitte Boll. Die 62-jährige Rentnerin hat sich bewusst für das Leben auf dem Campingplatz Hagener Meer in Hamminkeln entschieden - der Gesundheit zuliebe. Sie leidet an Asthma. Seit sie von Duisburg an den Niederrhein gezogen ist, „bekomme ich viel besser Luft“, sagt sie. Das Argument höre sie von vielen, vor allem älteren Dauercampern, sagt Ursula Schawach, die den Platz gemeinsam mit ihrem Mann betreibt. „Viele sagen, die brauchen weniger Tabletten und bekommen hier einfach besser Luft.“
Viele Rentner geben dem Leben auf dem Platz den Vorzug auch deshalb, weil es günstiger ist. Und etliche von ihnen haben es heute nicht so dicke. „Die Hälfte“ spare sie, schätzt Brigitte Boll. Was, bitteschön, will das Land denn mit den 80-jährigen Dauercampern machen, die hier leben? „Sagen Sie denen mal, die müssen sich jetzt eine Wohnung nehmen“, reagiert Christa Füntmann. Sie selbst kam weniger des Geldes wegen nach Hamminkeln als vielmehr wegen der schönen Lage. Ihr Mann ist berufstätig und pendelt täglich nach Oberhausen. Von Einsparung kann also keine Rede sein. Sie campte schon als Kind immer in Hamminkeln. Vor fünf Jahren beschloss sie, sich hier niederzulassen. Gemeinsam mit ihrem Mann und Rocky, dem Hund. „Hier hat man Lebensqualität“, sagt sie. „Es ist erholsamer, stressfreier.“ Die Luft sei hier besser als in Duisburg-Meiderich.
Sollte sie ihren Erstwohnsitz hier aufgeben müssen, „dann würden wir erst mal kämpfen“, sagt sie, und Brigitte Boll nickt zustimmend. Auch Ursula Schawach will, dass die Dauercamper bleiben können, wenngleich sie nicht den ganzen Platz nur voller Dauercamper haben möchte. Die Geschäfte in Hamminkeln und Umgebung, sagt sie, hätten weitaus weniger zu tun, wenn es die Camper nicht geben würde.
Bislang nicht eingeschritten
Noch aber sei die Stadt Hamminkeln nicht auf sie zugekommen, sagt Ursula Schawach. Aber das Land habe die Verwaltung bereits um eine Stellungnahme gebeten, so Bauordnungsamtsleiter Klemens Bienen auf NRZ-Nachfrage. „Es handelt sich bisher nur um eine Sachstandserkundung. Bislang sind wir nicht eingeschritten.“
In Wesel gab es mit dem Betreiber eines Campingplatzes, auf dem Menschen ihren Erstwohnsitz haben, Gespräche. Die Stadt sei aber noch nicht tätig geworden, sagt Michael Klessa im Rathaus. In Hünxe und Schermbeck ist das Thema noch keines. In Hünxe gebe es nur „ein paar“ Dauercamper, so Klaus Stratenwerth von der Verwaltung. Das würde den Aufwand kaum rechtfertigen. Eine Aufforderung vom Land sei ihm nicht bekannt.
Ein Camper, der seinen Namen nicht öffentlich preisgeben möchte, hat gerade seine 80-Quadratmeter-Wohnung in Krefeld gekündigt, um auf dem Campingplatz Lippetal in Hünxe, an der Grenze zu Gahlen, sesshaft zu werden. Gemeinsam mit seiner Frau hat der Rentner 35 000 Euro in sein Mobilheim gesteckt, um es zu renovieren. „Das Geld würde ich nie mehr wieder bekommen. So viel zahlt doch niemand, wenn er nur am Wochenende zum Campingplatz kommt“, sagt er.
Ein tolles Leben - man ist immer im Garten
Früher war er ein solcher Wochenend- und Urlaubscamper. Jetzt will er voll und ganz hier leben. Freitags treffen sich die Dauercamper im Restaurant auf dem Platz, besprechen einiges, tüfteln Ideen aus oder trinken gemütlich ein Bierchen zusammen. Das Leben hier ist toll, finden die Camper. „Man muss nur die Haustür aufmachen - schon ist man im Grünen“, sagt Wolfgang Duske.
810 Euro kostet die Pacht im Jahr. Dazu kommen die Nebenkosten. So günstig bekommt man keine Mietwohnung. 800 Euro hat damals allein die Miete in Duisburg gekostet – pro Monat. Klar, die Wohnungen auf dem Platz sind in der Regel kleiner, und viele Möbel passen auch nicht rein. Aber es reicht. Ganz nach dem Motto: Klein, aber mein. Maximal 50 Quadratmeter dürfen die Mobilheime groß sein, die Parzellen sind in der Regel rund 100 Quadratmeter groß.
Jeder passe auf den anderen auf, weiß Bernhard Fink. „Man hilft sich“, sagt er. Er lebt seit 2011 hier, ist hier gemeldet, hat einen eigenen Briefkasten. Er sieht nicht ein, warum sich das ändern soll. Auch er und seine Dauercamper-Kollegen sagen: „Wir werden kämpfen."