Schermbeck/Hünxe/Bochum. Lange vor der illegalen Einlagerung suchte der Angeklagte offenbar Absatzmöglichkeiten des giftigen Materials. Dies war jetzt Thema vor Gericht .

Über die Feiertage hatte auch der Prozess um den Umweltskandal im Schermbecker Mühlenberg pausiert, doch nun wurden die Verhandlungen am Landgericht in Bochum fortgesetzt. Dabei kamen erneut Details ans Tageslicht, die zeigen, wie groß die Dimensionen der illegalen Abfallentsorgung offenbar gewesen sein müssen.

Spannend war unter anderem zuletzt die Zeugenbefragung des Laborleiters einer Zementfirma, der dafür zuständig gewesen war, neue Produkte zu testen und auszuprobieren. Nach NRZ-Informationen berichtete er im Zeugenstand am mittlerweile 14. Verhandlungstag von einem persönlichen Treffen mit dem Angeklagten gemeinsam mit dessen bereits verurteilten (und geständigen) Geschäftspartner.

Zum Thema der Rußpellets erinnerte sich der Befragte, dass der Angeklagte – dies dürfte in den Jahren 2007 oder 2008 gewesen sein – ihm einen Eimer mit einer Probe Rußpellets vorbeigebracht und vorgestellt habe. Der Beschuldigte habe seinerzeit gefragt, ob die Pellets bei der Zementfirma verwertbar seien.

Einer Zementfirma wurden zigtausende Tonnen Pellets angeboten

Der Laborleiter schätzt, dass der Probeneimer etwa fünf Kilogramm Material enthalten habe. Dieses habe optisch aus Kugeln, zum Teil aber auch aus zusammengepapptem Material bestanden. Es habe nach Öl gerochen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden bestätigte der Zeuge, dass auch die Beschreibung eines Geruchs „von Tankstelle“ zutreffe. Das ursprüngliche Probenmaterial sei nach einer Probe allerdings als „nicht als für die Zementfirma verwendbar“ bewertet worden. Bei dem Material habe es sich je zur Hälfte um kleinere und um größere Kugeln gehandelt. Diese seien nicht ausreichend rieselfähig gewesen. Man habe das Material so nicht als Energieträger in den Ofen einblasen können.

2018 zeigte ein Gutachter ein Glas mit Ölpellets in einer öffentlichen Veranstaltung in Gahlen.
2018 zeigte ein Gutachter ein Glas mit Ölpellets in einer öffentlichen Veranstaltung in Gahlen. © NRZ | Johannes Kruck

Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft erklärte der Zeuge, dass es seinerzeit um Abnahmemengen von 10.000 bis 20.000 Tonnen gegangen sein müsse. (Zum Hintergrund: Etwa 29.000 Tonnen Ölpellets sind illegal in die ehemalige Tongrube in Gahlen gelangt, wofür sich unter anderem der jetzt angeklagte ehemalige Müllmakler verantworten muss.)

Interessant auch: Der Zeuge gab zu, Bestechungszahlungen von dem Angeklagten angenommen zu haben. Der Laborleiter erklärt jedoch, dass es bei den Bestechungszahlungen um andere Stoffe als Pellets gegangen sei.

Sogar drei Berufsrichter mussten in den Zeugenstand

Ungewöhnliche Wege zur Wahrheitsfindung wählte das Gericht auch, um eine Aussagediskrepanz des ehemaligen Betriebsleiters der Hünxer Firma Nottenkämper zu klären. Dieser hatte als Zeuge in dem im Dezember 2022 beendeten Prozess gegen einen Geschäftspartner des jetzigen Angeklagten andere Angaben gemacht, als im nun laufenden Verfahren.

Vor zwei Jahren hieß es, der ehemalige Betriebsleiter von Nottenkämper habe in der Tatzeit von dem jetzt angeklagten Müllmakler Hinweise erhalten, dass unzulässige Pelletlieferungen vonseiten des Recycling-Zentrums Bochum zu erwarten seien. Der Nottenkämper-Mitarbeiter habe dann etwaige Grenzwertüberschreitungen bei Lieferungen in die ehemalige Tongrube in Gahlen vor der Geschäftsleitung bei Nottenkämper verborgen gehalten. In der jüngsten Vernehmung des Ex-Betriebsleiters im aktuellen Verfahren habe der Zeuge dies nicht mehr ausgesagt.

Verwirrung um Aussagediskrepanz eines ehemaligen Betriebsleiters

Was ist denn nun die Wahrheit? Dafür bestellte die Kammer ihre Kollegen in den Zeugenstand: Also mussten drei Richter des Landgerichts vor dem Landgericht aussagen. Die Vernehmung der Kammer aus dem bereits abgeschlossenen Verfahren diente der „Überprüfung der Aussagediskrepanz“ des Zeugen.

Alle vernommenen Berufsrichter erinnerten sich, dass der damalige Nottenkämper-Betriebsleiter die besagten Hinweise von dem jetzt Angeklagten erst nach Befragung durch die Staatsanwaltschaft eingeräumt habe. Die Kammer habe dies bei dem vorhergehenden Verfahren so verstanden, dass der Betriebsleiter diese Lieferungen dann habe „durchgehen lassen“ sollen, was auch geschehen sei. Eine insgesamt plausible Erklärung, wie die Pellets von 2010 bis 2013 illegal in den Mühlenberg gelangen konnten.